Aber auch der praktische Nutzen einer speziellen Verzeichnung für diesen Denkmaltyp ist offensichtlich: Voraussetzungen, Entwicklungslinien, aktuelle Zustände und Problemstellungen lassen sich zusammengefaßt und im Zusammenhang dargestellt besser skizzieren, Spezifika des Denkmaltyps deutlicher und - gesamthaft gesehen - auch ökonomischer präsentieren. Auch für manche weitergehende Fragestellung und wissenschaftliche Auswertung ist die Bündelung der gebotenen Daten in Spezialinventaren von Vorteil: Wirtschaftshistorikern etwa wird dieser Sonderband zum Denkmaltyp "Zechenanlage" dienlicher sein als eine nach den strengen Ordnungsprinzipien des Großinventars über die verschiedenen Ortseinträge verstreute Erfassung.
Umgekehrt aber wäre es all jenen Interessenten, die vorrangig einen topographischen Zugriff auf die Gesamtheit der Denkmälerverzeichnungen brauchen, von Wert, wenn für die Denkmäler des Spezialinventars im Gesamtinventar beim entsprechenden Ortseintrag eine Kurzfassung oder wenigstens ein Hinweis auf die Sonderverzeichnung geboten würde. Andernfalls werden nämlich Grundprinzipien für die Gesamtverzeichnung und für den Gesamtnachweis von Denkmälern latent verschoben mit Folgen für Anspruch und Nutzung der Großinventare selbst und für die Aussagekraft der einzelnen Ortseinträge dort. Wie dies für die weitere Denkmälerverzeichnung in Nordrhein-Westfalen aussehen wird, steht noch dahin. Aber selbst wenn eine Verknüpfung von "normalem" Großinventar und Spezialinventar beim entsprechenden Ortseintrag geplant sein sollte, stellt sich gerade bei der sehr schleppenden Großinventarisierung in diesem Bundesland die Frage der Zeitigkeit der verschiedenen Erfassungen. Bei einem Ortseintrag für einzelne Denkmale und Denkmaltypen auf Verzeichnungen und damit auch auf Zustandsbeschreibungen zu verweisen, die ungünstigenfalls schon Jahrzehnte alt sind und entsprechend zu den anderen Eintragungen differieren - und dies dürfte mit Blick auf die heutige Praxis der Denkmalverzeichnung kein unrealistisches Szenario sein -, ergibt entweder eine inadäquate Gesamtschau oder erfordert zumindest eine kurze Datenkorrektur und Aktualisierung. Diese Anmerkungen sollen nun nicht den Wert von Spezialinventaren innerhalb von Großinventaren völlig in Frage stellen, wohl aber die besondere Problematik bei einer sehr langsam voranschreitenden Inventarisierung aufzeigen; die Schlußfolgerung kann hier nur der Wunsch nach einer zügigeren Verzeichnung und Publikation insgesamt sein.
Und ein letzter Punkt ist anzumerken: Noch ist dieses Spezialinventar aus der Perspektive der Gesamtverzeichnung für Nordrhein-Westfalen, aber vor allem auch aus der für ein Spezialinventar entscheidenden Sicht der thematisch sinnvollen Abgrenzung bzw. Abrundung unvollständig. Der Steinkohlenbergbau an Rhein und Ruhr - und somit auch seine Denkmäler - ist letzlich nur als Gesamtregion Rhein und Gesamtregion Ruhr für eine themenorientierte Darstellung und damit auch für ein Spezialinventar angemessen erfaßt und beschrieben. Die Abtrennung des westfälischen Teils der Berbauregion Ruhr für die Publikation ist gattungstypologisch, also denkmaltypspezifisch in keiner Weise signifikant und gründet nur in Zuständigkeitsstrukturen und bisherigen Ordnungs- und Bearbeitungsformen der Denkmalpflege und -verzeichnung. Wenn aber ein grundlegend topographisches und denkmalspartenübergreifendes und sich somit über Zuständigkeitsgrenzen hinweg nahtlos aneinanderfügendes Verzeichnungsprinzip, auf das die Organisationsstruktur des Gesamtunternehmens Denkmälerverzeichnung eingestellt ist, im Einzelfall zugunsten anderer primärer Ordnungsformen aufgegeben wird, so muß in diesem Fall auch die Frage nach der Adäquatheit der restlichen Rahmenvorgaben gestellt werden. Ein Denkmäler-Inventar des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr kann nur wirklich als gattungsbezogenes Spezialinventar von eigenständigem Wert sein, wenn auch seine Erfassungsgrenzen sich am Spezifikum und nicht an Zuständigkeiten orientieren, also wenn sie das Bergbaugebiet geschlossen erfassen, somit unter - zumindest geplantem - Einschluß seiner westfälischen Teile. Ist dies nicht der Fall - und es gibt bei der für diesen Band gewählten strukturellen Einbindung in die Gesamtpublikation durchaus Indizien (etwa bei der Reihenzählung) dafür, daß hier nicht thematisch, sondern nur zuständigkeitsbezogen gedacht wurde - , dann bliebe nur der Wert eines Sonderbandes für den rheinischen Teil des Bergbaugebiets, zerfallend in das eigenständige Aachener Revier und in das Bruchstück 'westliches Ruhrgebiet'. Nichts aber ist mißlicher, als wenn innerhalb eines noch sehr fragmentarischen Gesamtinventars auch das Spezialinventar thematisch lange Zeit oder für immer ein Torso bliebe. Ein thematisch geschlossenes gattungsorientiertes Spezialinventar zum Steinkohlenbergbau an Rhein und Ruhr, das diesen Namen wirklich verdient, kann für das Ruhrgebiet nicht bei Essen enden und Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund usw. ausschließen. Es wäre somit mehr als wünschenswert, daß die westfälische Denkmalpflege ebenfalls zugunsten einer gattungsspezifischen Präsentations- und Publikationsform für die Zechenanlagen ihres Zuständigkeitsbereichs entschiede und dies als unabdingbares Seitenstück zum vorliegenden Band in überschaubarem Zeitrahmen zum Abschluß brächte.
Doch nun zum vorliegenden Band selbst. Auf Vorwort,[1] Sigelverzeichnis
für die einzelnen Zechen/Unternehmen, Kurzbibliographie (Liste
abgekürzt zitierter Literatur) und Einführung folgt eine umfangreiche,
monographisch konzipierte historische Einleitung zur Entwicklung des
Steinkohlenbergbaus in der Region Aachen und westliches Ruhrgebiet
(S.17 - 160). Von den Bergbauanfängen in vorindustrieller Zeit, der
Zeit der industriellen Revolution und dem eigentlichen Beginn der
Bergbauindustrie ausgehend, zentriert sich die Darstellung schließlich
auf die Zeit 1850 - 1945, der bedeutendsten Epoche für diesen
Industriezweig in der Region und schließt mit der Entwicklung nach
1945 und einem Ausblick auf das absehbare "Ende". Diese historische
Darstellung geht dabei insbesondere auf jeweils zeittypische
technische und damit verbundene bauliche Lösungen für die Anlagen ein
und erläutert die entsprechenden Funktionsweisen. Erscheinungsformen
wie Stollenzechen, Schachthausanlagen, Malakow-Anlagen mit ihrer
typischen Turmbildung, Fördergerüstanlagen und Förderturmanlagen, um
nur die wichtigsten zu nennen, werden beispielhaft vorgestellt.
Hilfreich zur Verdeutlichung sind dabei zahlreiche Abbildungen, seien
es historische Darstellungen, Photos, Pläne, Risse oder
schematisierende Zeichnungen. Berücksichtigt werden auch (für den
Gesamtzusammenhang natürlich wichtige) Aspekte wie Ausbau der
Transport- und Verkehrswege und entsprechende
Infrastruktureinrichtungen. Den Gebäuden und ihren Architekten wird
selbstverständlich besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Insgesamt liest
sich dieser Teil mit Gewinn auch als eine allgemeinere Geschichte des
Steinkohlenbergbaus und seiner Technik; regionalspezifische Aspekte
stehen nicht unbedingt im Vordergrund der Darstellung, schon gar nicht
in der engeren Eingrenzung des nachfolgenden eigentlichen Inventars.
Der historische Überblick dürfte in dieser Form aussagekräftig
zumindest für das gesamte Rhein-Ruhrgebiet sein. Eine Ergänzung des
Inventarteils um das westfälische Gebiet könnte an diese allgemeineren
Ausführungen somit durchaus anschließen.
Es folgt das eigentliche Inventar, die Beschreibung der einzelnen
Denkmale im Ortsalphabet (S. 161 - 652). Herausragend ist hier der
Eintrag für das Essener Gebiet, wo allein 14 Zechenanlagen erfaßt
sind. Die Quellenlage für die Verzeichnung der einzelnen Denkmäler war
sehr unterschiedlich; nur zum Teil standen Unterlagen aus
Betriebsarchiven zur Verfügung. Von Nutzen waren daher u.a. auch zwei
bereits früher zu den Zechenanlagen des Ruhrgebiets publizierte
Zusammenstellungen, die immer noch mit Recht auch an dieser Stelle als
überaus hilfreiche Nachschlagewerke zum Themenkomplex genannt werden
können: Es sind dies vor allem die 1987 von Joachim Huske tabellarisch
konzipierte Datensammlung Die Steinkohlenzechen im Ruhrrevier[2] und die
bereits in mehreren Auflagen erschienene Zusammenstellung von Wilhelm
und Gertrude Hermann über Die alten Zechen an der Ruhr.[3] Beide Werke
erfassen die Denkmäler des Ruhrgebiets in seiner Gesamtheit: die
Arbeit von Huske in Form von reinen Chronologien zu den einzelnen
Anlagen - da es keine ausformulierten Texte zu den Einzeleinträgen
gibt, eignet sich diese monumentale Zusammenstellung am besten zum
Nachschlagen und Datieren, weniger als Lektüregrundlage - , die
Publikation von W. und G. Hermann sowohl als themeneinführende wie
auch als Nachschlagewerk geeignete Darstellung. Schon aufgrund der
geographischen Geschlossenheit und Vollständigkeit beider Arbeiten
werden sie als unabdingbare Ergänzung zum vorliegenden Spezialinventar
heranzuziehen sein. Gerade die Publikation von W. und G. Hermann
konkurriert und ergänzt hier unmittelbar: sie bietet ebenfalls eine
historische, wenn auch auf ein breiteres Publikum zugeschnittene
Einführung, Abbildungsmaterial und ausformulierte Einträge zu den
einzelnen Zechen im Ortsalphabet; ein Glossar, Register und
Kartenmaterial erschließen das Werk, eine knappe Bibliographie rundet
die Informationen ab. In jedem Fall ist diese Zusammenstellung zu den
Zechenanlagen des Ruhrgebietes substantieller als die entsprechenden
Einträge in Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und
Technik.[4] ø Ungleich umfangreicher sind natürlich in jedem Fall die
in dem Spezialinventar zu den einzelnen Zechen gebotenen
Informationen, orientiert man sich hier doch an den
Beschreibungskriterien der Großinventare, ohne diese aber immer für
jeden Aspekt durchhalten zu können. Der Einzeleintrag für eine Anlage
bietet vorab eine zusammenfassende Würdigung des Industriedenkmals und
einen historischen Überblick und dann die detaillierte Beschreibung
der Einzelbereiche der Anlage in ihren verschiedenen Ausbau- und
Entwicklungsstufen. So nennt der Eintrag zu Zeche und Kokerei
Zollverein in Essen-Katlenburg vorab in Kurzfassung Quellen und
Literatur, bietet einen geschichlichen Abriß und begleitet die
nachstehende ausführliche Bau- und Technikbeschreibung der einzelnen
Ausbaustufen mit Karten und Bildmaterial. Es werden eigenständig die
Gründungsanlage, dann die Anlagen der Ausbauphase 1880 - 1914
einschließlich ihrer Verbindungsbahnen, Siedlungen und veränderten
Organisationsform, dann alle nach und nach hinzukommenden
Schachtanlagen mit ihren einzelnen Funktionsbauten und Anlageteilen,
somit auch der Ausbau der Zeche bis in die Zeit nach 1945 beschrieben.
Für den nicht auf Zechenanlagen spezialisierten Nutzer des
Inventarbandes präsentieren sich die rund 70 Seiten zur Zeche
Zollverein nicht sehr sinnfällig strukturiert; auch die Zuordnung von
Text- und Abbildungsmaterial bleibt eher unübersichtlich. Daher war es
zumindest für die Rezensentin hilfreich, den entsprechenden Eintrag
bei Hermann quasi als einführendes und die ausführlicheren
Informationen des Inventars kondensierendes Abstract heranzuziehen;
leider gilt dies für alle umfangreicheren Einträge des Inventars.
Das Inventar schließt mir Glossar, Personenregister, Orts- und
Sachregister und den Abbildungsnachweisen. Bibliographische
Informationen, die über die Kurzbibliographie im Eröffnungsteil des
Bandes hinausgehen, sind nur über die Fußnoten im Textteil und bei den
Einzelverzeichnungen im eigentlichen Inventarteil zu finden und dabei
meist in überaus knapp gehaltener Form; weder in der einführenden
Kurzbibliographie mit der Aufführung der Grundlagenliteratur noch bei
den übrigen Zitaten kann daher bei so spartanischer Verfahrensweise in
jedem Fall die Einhaltung von Zitierstandards erwartet werden. Hier
wäre etwas mehr Liebe zum Detail im wortwörtlichen Sinn und Sorgfalt
wirklich von Nutzen gewesen.
Alles zusammengenommen, läßt sich sicher abschließend notieren, daß
grundsätzlich die Erstellung von Spezialinventaren für bestimmte
Denkmalgattungen ein nützlicher und sinnvoller Weg in der
Denkmälerdokumentation ist, daß aber das Spezialinventar zu den
Zechenanlagen und Kokereien des Steinkohlenbergbaus in der hier
vorgelegten Form weder konzeptionell noch praktisch in der
Präsentation der Informationen uneingeschränkt überzeugen kann.
Angela Karasch
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