Das vorliegende Lexikon als "ultimativ" zu bezeichnen, dürfte etwas zu
weit führen; die Sprache der Werbung übertreibt auch hier wie gewohnt.
Allerdings wird mit dem Rough guide ein interessanter, neuer Ansatz
auf dem Gebiet der Lexikon-Redaktion versucht: ursprünglich entstand
dieses Lexikon innerhalb der Rough guides-Serie als Internet-Lexikon
und als work in progress; dort ist es auch jetzt noch mit über 1200
Einträgen in vollem Umfang und kostenlos verfügbar.[1] Weitere Rough
guides, von denen auch englischsprachige Buchausgaben vorliegen, gibt
es zu den Themen Travel, Music (mit Weltmusik;[2] Jazz; Klassische
Musik; Oper; Reggae), Internet und News. Die Internet-Artikel
enthalten neben Text und Bildern auch Querverweise auf andere
Internet-Seiten sowie auf aktuelle Tourneen der Bands und auf den
CD-Versandhandel.
Neu an den Rough guides ist die inhaltliche Konzeption, die darin
besteht, die Artikel nicht von ausgewiesenen Autoren schreiben zu
lassen, sondern von "Fans". Dies stellt zumindest sicher, daß keine
Verrisse oder ungerechtfertigte "Abrechnungen" von frustrierten
Journalisten abgedruckt werden, sondern Texte von fast ausnahmslos
völlig unbekannten Zeitgenossen, die die Musik und die Bands lieben,
ohne dabei unkritisch zu sein. Gelegentlich führt dies zu sprachlichen
Konstruktionen, wie sie bei einer Stichprobe im Artikel The Allman
Brothers Band entdeckt wurden: "Ein Motorradunfall zog ihm [Duane
Allman] 1971 den Stecker aus dem Verstärker ..."; "Gregg entwickelte
sich zum vollgekifften Sandsack ...". Diese Leseproben sind aber nicht
symptomatisch für das Lexikon. Über das Internet ruft die Redaktion
Fans dazu auf, Beiträge über ihre Lieblingsband oder über noch nicht
aufgenommene Musiker einzusenden.
Für den deutschen Markt wurden auch Artikel über deutsche Rockbands
und Rockmusiker (z.B. Die Ärzte, Blumfeld, Die Fantastischen Vier,
Kraftwerk, Marius Müller-Westernhagen, Zeltinger, Helmut Zerlett)
aufgenommen. Sachartikel (Austro-Pop, Deutscher Demokratischer Rock,
Girl Groups, Krautrock, Neue Deutsche Welle) sind gleichfalls
vorhanden. Inhaltlich definiert das Lexikon nicht, was genau unter
"Pop" oder "Rock" verstanden wird, bietet jedoch neben der Aufnahme
von weniger bekannten Bands eine breite Palette, die u.a. Country
(z.B. Johnny Cash, Emylou Harris), Soul (Isaak Hayes, Marvin Gaye,
Aretha Franklin, Al Green, Curtis Mayfield, Junior Walker, Stevie
Wonder u.a.), Blues (John Lee Hooker, Howlin' Wolf, B. B. King,
Leadbelly, Muddy Waters u.a.) mit einbezieht. Ein Artikel über Miles
Davis und dessen Aktivitäten in der Popmusik stellt die einzige Brücke
zum Jazz dar; weitere Jazzmusiker sind nicht enthalten; hier darf man
auf die Übersetzung des Rough guide to Jazz gespannt sein. Als
Auswahlkriterium für den Abdruck scheint mehr die Originalität des
Textes gegolten zu haben als die Frage, ob ein bestimmter Musiker
enthalten sein soll oder nicht.
Das Lexikon ist durchgehend mit Photographien illustriert,
typographisch gut präsentiert und lädt dadurch auch zum Schmökern oder
einfachen Blättern ein. Jeder Artikel enthält eine
Auswahldiskographie. Weniger gelungen ist das Register der Bands und
Künstler, das zwar nach den Nachnamen sortiert, aber in der
Reihenfolge "Vorname + Nachname" mit Seitennummer auflistet und leider
nicht alle in den Artikeln erwähnten Personen aufführt (beispielsweise
fehlen aus dem Artikel Jethro Tull Ian Anderson oder Roland Kirk).
Dennoch erhält der Käufer für den Preis ein gewichtiges Werk, das
neue, interessante Wege geht. Man darf auf die weiteren Bände gespannt
sein.
Bernhard Hefele
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