Auf fast 700 Seiten, aufgelockert von einigen Abbildungen, präsentiert das Lexikon mehr als 3300 Einträge "über Autoren und Werke der griechischen und römischen Literatur, über die Geschichte Griechenlands und Roms (von etwa 2800 v. Chr. bis zum Untergang des Römischen Reiches), über die antike Mythologie, Religion und Kunst sowie viele Bereiche des Alltagslebens in der antiken Gesellschaft, z.B. Recht, Sklavenhaltung, Erziehung, Handwerk"; so verspricht es der Klappentext. Ganz wird das Buch diesem Anspruch freilich nicht gerecht. Nicht nur, daß im Vorwort manches wieder zurückgenommen werden muß, was der Werbetext verspricht (Mythologie!), vor allem hätte eine engere Anlehnung an den englischen Originaltitel eine dem Inhalt angemessenere Erwartungshaltung erzeugt. Es ist zwar richtig, daß schon in der Erstausgabe des Buches von 1937 mehr aufgenommen war als nur Autoren und ihre Texte - sonst wäre es ja auch "nur" eine Art Autorenlexikon gewesen. Aber textlich überlieferte Information stand ganz zweifellos im Vordergrund des Lexikons, was wiederum dazu führte, daß es gerade beim Lesen ebenjener Texte besonders hilfreich zur Seite stehen konnte. So hatte sich das Buch eigentlich verstanden, und daran hat sich auch in der deutschen Ausgabe nicht viel geändert. Es ist durch die Übersetzung keineswegs zum alle altertumswissenschaftlichen Disziplinen gleichermaßen umfassenden Lexikon geworden. Mit materiellen Überresten befaßte Disziplinen sind mit ihren Ergebnissen und Forschungsrichtungen kaum präsent, auch nicht da, wo sie am ehesten hätten Eingang finden können: bei Artikeln über Geographica z.B., oder bei der Beschreibung von Sitten und Gebräuchen (Bestattung, Essen und Trinken etc.). Auf die so stark auf Literatur und Lektüre ausgerichtete Tendenz des Lexikons weisen die Verantwortlichen m.E. nicht deutlich genug hin, und deshalb muß diese wesentliche Eigenschaft hier so nachdrücklich betont werden. Das Lexikon mag dem (noch) nicht spezialisierten Leser antiker Literatur erste Hilfestellung geben - und da keine weiterführenden Literaturhinweise bei den einzelnen Artikeln gegeben werden, kann man nur hoffen, der Wissensdurst des Nachschlagenden ist mit dem bisweilen spärlichen Informationsrinnsal auch schon gestillt. Als eine konzentrierte Zusammenfassung von Wissen über die Antike aus allen mit ihr befaßten Wissenschaften darf man es nicht betrachten.
Joachim Migl