Peter Cornelis Bol, der den größten Anteil am Gesamttext hat, und Wolf-Dietrich Niemeier sind durch einschlägige Publikationen als Experten auf dem Gebiet der Antike ausgewiesen, während sich Robert Strasser vor allem durch Publikationen über Indien hervorgetan hat. Hauptteil bildet lt. Vorwort die Beschreibung der nach historischer und künstlerischer Bedeutung wichtigsten Stätten des Altertums in Griechenland von der kretisch-mykenischen Kultur bis zum Ende des Hellenismus und der herausragenden Antikenmuseen des Landes. Hauptkriterium für die Aufnahme eines Ortes war die Frage: Wieviel gibt es da noch zu sehen? Der Hauptteil gliedert sich in zwei Teile, von denen der erste mit 84 Artikeln das griechische Festland und die Peleponnes (S. 65 - 370) und der zweite mit 29 Einträgen die griechischen Inseln (S. 373 - 526) behandelt. Die Artikel sind nach den im Deutschen gebräuchlichen Ortsnamen alphabetisch geordnet, in Klammern erscheint darunter der Originalname in griechischer Form, der Nomos (Verwaltungsbezirk) und die Region, in der der Ort liegt. Am äußeren Seitenrand befinden sich die Plankoordinaten, die auf die Karten im Anhang verweisen. Typographisch abgesetzt und dem jeweiligen Artikel vorangestellt, sind geographische, historische und/oder mythologische Besonderheiten dargestellt.
Die zahlreichen Orts-Übersichtspläne erfüllen trotz des kleinen Formates ihren Zweck. Die exemplarisch eingestreuten schwarz-weiß-Aufnahmen von Tempeln, Friesen, Statuen, etc. stehen fast immer beim Text, den sie illustrieren. Dem Hauptteil vorangestellt sind eine Zeittafel und ein historischer Abriß (S. 17 - 61). Letzterer reicht von der mykenischen Kultur bis zur Schließung der Akademie durch Justinian im Jahre 529. Bol hat in bemerkenswerter Weise versucht, in diesem Abriß die wichtigsten Entwicklungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur (z.B. Charakteristika der geometrischen Vasenmalerei, S. 27 oder der archaischen Plastik, S. 30 - 32) darzustellen. Ein Anhang enthält eine Übersichtskarte mit den Nomoi- und Regionengrenzen sowie sechs Detailkarten. Ein Namens- und Ortsregister erschließen den Hauptteil. Der Informationsgehalt der Karten ist sehr gering. Es sind lediglich politische Karten, die die Lage der besprochenen Orte angeben. Auf weitere Informationen (Strassenverbindungen, topographische Besonderheiten) hat man leider ebenso verzichtet wie auf Ortsangaben in den Nachbarländern.
Die Artikel befassen sich fast ausschließlich mit den sichtbaren antiken Hinterlassenschaften eines Ortes. Nachantike Entwicklungen sind, sofern sie für das Verständnis entbehrlich sind, weitgehend ausgeklammert. Positiv hervorzuheben ist die kompakte und kompetente Darstellung der Materie. Bei der Beschreibung von Ausstellungsgegenständen in Museen versuchen die Autoren, die Aufmerksamkeit des Besuchers auf die charakteristischsten Gegenstände zu lenken. Gedacht ist daran, daß der Leser bei seinem Streifzug durch den Ort bzw. durch das Museum mit dem Buch in der Hand zur Kenntnis nehmen kann, was sich links und rechts von ihm befindet. Weitergehende Informationen sind leider zu oft dem Kompromiß zwischen Handlichkeit und Ausführlichkeit zum Opfer gefallen. Die konzentrierte Darstellung der Materie stellt auch an den Leser hohe Anforderungen. Nicht jeder wird wissen, was Stylobat, Interkolumnium, Metope, Pronaos oder Opisthodom bedeuten. Im Unterschied zu Reclams Kunstführern, in deren guter Tradition sich der vorliegende Band dennoch sieht, fehlen Erklärungen der Fachbegriffe, die man auch anhand von Zeichnungen hätte geben können. Ebenso wird derjenige enttäuscht, der sich weiter informieren möchte, da auf ein Literaturverzeichnis und Anmerkungen verzichtet wurde.
Der kleine Band, der trotz mancher Ähnlichkeit nicht in der inzwischen
eingestellten Reihe von Reclams Kunstführern erschienen ist, gehört
damit auch (noch) nicht zu den für die Ansetzungen für die SWD
heranzuziehenden Nachschlagewerken; eine Aufnahme in die
entsprechenden Liste[3] wäre der einzige Grund, diesen Band in
wissenschaftlichen Bibliotheken anzuschaffen, da man in ihm nichts
findet, was nicht auch schon an anderer Stelle ausführlicher
beschrieben wurde. Allerdings wendet er sich auch an eine ganz andere
Zielgruppe, nämlich die Bildungsreisenden, die mehr erfahren wollen,
als in den üblichen allgemeinen Griechenland-Reiseführern steht. Und
für diesen Zweck ist das Bändchen vorzüglich geeignet.
Kai Heßling
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