Zum ersten Mal wurde eine Brockhaus-Enzyklopädie nicht mehr anhand von
Karteien, eine für die Lemmata und eine für die Verweisungen,
erarbeitet, sondern es lag der Redaktion als Ausgangspunkt die BE19
komplett in digitalisierter Form vor. Ingrid Schröder, Fachredakteurin
für Physik, Mathematik, Astronomie und Informatik, schilderte in einem
Interview mit dem Deutschlandfunk[2] die heutige Bearbeitungsweise. Alle
Lemmata sind klassifiziert, so daß die Fachredakteure für die
Überarbeitung gezielt auf Alphabetabschnitte aus ihrem Fachgebiet
zugreifen können. Als besonderen Vorteil erwähnt Frau Schröder, daß
nicht nur die Artikel, sondern sowohl verknüpfte Verweisstichwörter
als auch Graphiken und Tabellen ebenfalls sofort am Bildschirm
betrachtet und bearbeitet werden können.
Natürlich ist die Modernisierung mit ihrer Arbeitserleichterung und
der daraus resultierenden kürzeren Bearbeitungszeit grundsätzlich zu
begrüßen. Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob nicht gerade diese
Vereinfachung zu den in den früheren Rezensionen der BE20[3]
festgestellten Oberflächlichkeiten bei der Überarbeitung geführt hat.
Meist treten diese bei dem durch die für Neuaufnahmen und umfangreiche
Aktualisierungen nötigen Längenausgleich vorgenommenen Änderungen am
bereits in der BE19 vorliegenden Text auf, wie Verknappung der
Formulierung, Umwandlung von einem eigenständigen Lexikoneintrag zu
einer Erwähnung des weggefallenen Begriffs innerhalb eines anderen
Eintrages und Streichung von Lemmata oder Illustrationen, oder
kleineren Fortschreibungen von vorliegenden Stichwörtern.
Rein zahlenmäßig hat sich die BE20 gegenüber der Vorauflage nicht
verändert: ebenfalls ca. 260.000 Lemmata (die Einträge für
Verweisungen sind mitgezählt), etwa 240 Schlüsselbegriffe, über 35.000
Abbildungen. Dabei sind laut Verlagsangaben 20 % des Lemmabestandes
gegenüber der BE19 aktualisiert. Da die übrigen 80 % aus der BE19
übernommen wurden, nimmt im Mitarbeiterverzeichnis der BE20 die Liste
der "Autorinnen und Autoren der 19. Auflage" weit größeren Raum ein,
als die der 20. Insgesamt waren laut Verlagsangaben neben den 40
Mitarbeitern der Leipziger Lexikonredaktion, davon 20 Fachredakteure,
etwa weitere 1350 wissenschaftliche Mitarbeiter beteiligt. Im
Mitarbeiterverzeichnis werden davon lediglich 289 Personen als
"Autorinnen und Autoren der 20. Auflage" genannt.
Im Gegensatz zu der Beibehaltung des Konzepts für das Grundwerk, wurde
das der Ergänzungsbände verändert. Zwar sollen wie bei der BE19 sechs
Ergänzungsbände erscheinen, doch umfassen diese neben einem
dreibändigen Deutschen Wörterbuch (als Bd. 28 - 30 angekündigt) und
einem Großwörterbuch Englisch (Bd. 26) nun ein Bildwörterbuch (Bd. 25)
sowie als Bd. 27 Zitate und Redewendungen. Aufgrund der verkürzten
Erscheinungszeit kann der Ergänzungsband (Bd. 30 der BE19)[4] entfallen.
Außerdem wird auf das Personenregister, das für die BE19 in Nachahmung
von Meyers Lexikon erstmals als Bd. 25 vorgelegt wurde und das
ebenfalls innerhalb von Artikeln erwähnte Personen erschlossen hatte,[5]
verzichtet. Leider bleibt der Verlag eine Begründung hierfür
schuldig.
Bis auf weiteres ist auch nicht mit einer elektronischen Ausgabe der
BE zu rechnen, da laut Verlagsaussage der Inhalt die Kapazitäten einer
CD-ROM sprengen würde. Die Möglichkeit eines Online-Angebotes zieht
man gleich gar nicht in Betracht, und so scheint der Grund nur
vorgeschoben, denn eine CD-ROM müßte um ein Vielfaches günstiger als
die gedruckte Ausgabe angeboten werden, um eine Chance gegen Encarta &
Co zu haben.
Stattdessen verwertet der Verlag die Daten der BE20 auf verschiedene
Weise in anderen Projekten. Zum einen erscheint wiederum eine
limitierte, diesmal von André Heller "gestaltete und inszenierte"
Ausgabe unter dem Titel Brockhaus Enzyklopädie 2000,[6] die bis Herbst
1999 beendet sein soll: "ein Investitionsobjekt mit sicherer
Wertsteigerung", wie es im Prospekt heißt. Zum anderen wurde
zeitgleich mit der BE als deren abgespeckte Version Der Brockhaus in
fünfzehn Bänden[7] vorgelegt. Dieses mittelgroße Lexikon bildet zudem
die Grundlage für gleich zwei CD-ROM-Ausgaben: den Brockhaus in Text
und Bild[8] sowie den Brockhaus multimedial,[9] mit denen der Verlag nach
dem substanzschwachen Kompakt-Brockhaus multimedial[10] und nach der
LexiROM[11] zum ersten Mal einen ernsthaften Versuch unternimmt, den
Anschluß an die Großprojekte des multimedialen Lexikonmarkts zu
finden.
Obwohl der Verlag die BE20 als "Jahrhundertenzyklopädie" auftreten
ließ - Bd. 24 bietet denn auch unter dem Lemma Zwanzigstes Jahrhundert
einen umfangreichen Artikel mit Chronologie -, scheint dieses populäre
Werbekonzept nicht aufgegangen zu sein.[12] Denn die BE20 konnte die
stark rückläufigen Umsätze mit der BE19, die bei der Bilanzvorlage
1998 neben der Zitterpartie um die Rechtschreibreform als einer der
Gründe für Gewinneinbußen des Unternehmens von knapp einem Viertel
genannt wurden, anscheinend nicht ausgleichen.
Saskia Hedrich
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