Rainer A. Bast hat 1991 eine umfangreiche Bibliographie der
Philosophischen Bibliothek mit ausführlicher Würdigung ihrer Verleger
vorgelegt. Mit großer, gelegentlich auf die Spitze getriebener Akribie
hat er die verschiedenen Ausgaben dieser erfolgreichen Reihe bis Mitte
1985 dokumentiert.[1] Inzwischen ist er selber darin als Herausgeber
dreier Bände mit Texten von Ernst Cassirer hervorgetreten. Im Verlag
Dinter in Köln hat er zudem 1995 ein Personen-Register zu den Werken
Ernst Cassirers[2] sowie 1998 einen weiteren Text des bedeutenden
Philosophen herausgebracht.[3] Dem Hamburger Verlag Felix Meiner, den
man immer in erster Linie mit der Philosophischen Bibliothek in
Verbindung bringt, ist er offensichtlich ebenso verbunden wie dem viel
jüngeren Kölner Verlag für Philosophie Jürgen Dinter. Nun gibt es
Fortsetzungen in Buchform sowohl seiner jahrelangen Bemühungen um die
Buchhändler- und Verlegerfamilie Meiner[4] als auch um die
Philosophische Bibliothek als Ergebnisse ungewöhnlich gründlicher
Recherchen, verlegt bei Dinter.
Schon in seinen Beiträgen zur NDB Bd. 16 (1990) über Arthur und Felix
Meiner hat Bast seine fast tausend Seiten umfassende Publikation über
die Philosophische Bibliothek als 1989 bereits erschienen angeführt.
Ähnlich ist es ihm mit seinen Artikeln über die beiden Verleger in der
Neubearbeitung des LGB2 (Lfg. 34. 1996) ergangen; dort wird als Quelle
der Titel Die Buchhändler-Familie Meiner mit Erscheinungsjahr 1996
angegeben. Tatsächlich ist seine letztere Arbeit 1997 erschienen. Es
handelt sich um einen der nicht wenigen Versuche, eine Biographie
eines Verlegers (und hier mehrerer Verleger) als "Beitrag zur
Buchhandelsgeschichte" einer interessierten Öffentlichkeit
nahezubringen.
Die Verdienste Arthur Meiners (1865 - 1952) um den Verlag J. A. Barth
in Leipzig, den er zu einem der führenden wissenschaftlichen Verlage
der Welt ausbauen konnte, sind nicht unbekannt gewesen. In der
vorliegenden Darstellung werden sie mit einem umfangreichen
Anmerkungsapparat noch einmal aufs Genaueste vorgeführt. Auch die
Biographie seines Halbbruders Felix Meiner (1883 - 1965) überrascht
nicht durch eine neue Sicht auf den Verlag F. Meiner, sondern sie
besticht durch Auswertung entlegener, auch ungedruckter Quellen. Ein
wenig anders verhält es sich mit dem Beitrag über Annemarie Meiner
(1895 - 1985), die zwar auch als Verlegerin, jedoch hauptsächlich als
Historikerin auf dem Gebiet des gesamten Buchwesens bekannt ist. Hier
hätte man sich eine etwas kritischere Auseinandersetzung mit ihren
Schriften gewünscht. In dem Sammelband 100 Jahre Reclams
Universal-Bibliothek 1867 - 1967 (Leipzig 1967) wird sie immerhin -
wenn auch aus durchsichtigen Gründen - der "Geschichtsklitterung"
bezichtigt (S. 84). Ihre Schrift Reclam : eine Geschichte der
Universal-Bibliothek zu ihrem 75jährigen Bestehen (Leipzig 1942)
enthielte "Konzessionen an die faschistische Ideologie" (S. 514) und
hebe die "Teilnahme des Verlages an der ideologischen Vorbereitung des
Faschismus" hervor (S. 495). Von der Neubearbeitung der
Verlagsgeschichte (Stuttgart 1958) heißt es, sie "leugnet das
Engagement des Reclam-Verlages für den Faschismus und spricht nur von
'gewissen Konzessionen' an das NS-Regime" (S. 491). Man mag heute
manches anders beurteilen als zu Zeiten des Kalten Krieges, aber eine
Auseinandersetzung wäre es schon wert gewesen. Rainer A. Bast macht es
sich allzu leicht, wenn er in einer Veröffentlichung von A. Meiner aus
dem Jahr 1936 lediglich "in ihrer Doppeldeutigkeit ja eindeutigen
Worte" finden will. Das von ihm leichtfertig kommentierte Zitat A.
Meiners endet mit der aus dem Vokabular der damaligen Machthaber
gedrechselten Phrase, "... daß wir mitten in einer Umwandlung unseres
Landes und Volkes stehen, wie sie in diesem Ausmaße noch vor kurzem
von den meisten für unmöglich gehalten wurde."
Es ist unumgänglich, auf die den einzelnen biographischen Artikeln
angehängten subjektiven und objektiven Bibliographien hinzuweisen. Auf
diesem Gebiet ist man in der Vergangenheit mit wenig Sorgfalt
vorgegangen. Dennoch muß auch der Verfasser der vorliegenden Familien-
und Buchhandelsgeschichte einräumen: "Auch damit ist die Bibliographie
Annemarie Meiners wohl nicht vollständig ...". Ob die im Anschluß an
die bisher erwähnten Biographien mitgeteilten Lebensläufe von acht
weiteren Mitgliedern der Familie Meiner, die im Buchhandel tätig sind
oder waren, von allgemeinem Interesse sind, kann hier nicht diskutiert
werden.
Ein anderes, weniger umfangreiches, aber als Informationsmittel für
Bibliotheken interessanteres Nebenprodukt der Recherchen Rainer A.
Basts in derselben Sache ist seine Veröffentlichung unter dem nur auf
den ersten Blick befremdlichen Hauptsachtitel Der Titel
"Philosophische Bibliothek". Der Zusatz zum Sachtitel verrät etwas
näher, worum es geht, nämlich um einen "Beitrag zur materialen
Philosophie- und Bildungsgeschichte vor allem des 18. Jahrhunderts."
In der Tat handelt es sich zum größten Teil um eine kritische
Bestandsaufnahme von Rezensionsorganen, die mehr oder weniger zufällig
die Worte "philosophisch" und "Bibliothek" im Titel führen. Natürlich
hat es auch andere zeitgenössische Rezensions- und Anzeigeblätter mit
ähnlicher Zielsetzung gegeben. Dennoch rechtfertigt sich diese Auswahl
schon allein dadurch, daß es bisher überhaupt keine gründliche
Auswertung dieser frühen, für die Verbreitung aufklärerischer
Philosophie so wichtigen Periodika gibt. Nicht einmal den Weg in die
maßgeblichen Personalbibliographien haben einige der hier erstmals
wieder erwähnten Rezensionen gefunden. Die in den Fußnoten dieser
verdienstvollen Bestandsaufnahme wiederholt zu findende Formulierung:
"fehlt in ..." - in Verbindung mit dem Titel eines Standardwerkes
- gibt darüber beredtes Zeugnis. Leider ist auch das ständig
wiederholte
"enthält u.a. ..." Bestandteil dieser knappen Darstellung. Die
Kriterien der Auswahl sind nicht beschrieben, scheinen aber nach dem
heutigen Bekanntheitsgrad der rezensierten Philosophen angelegt worden
zu sein. Die bibliographische Exaktheit der Angaben zu den Periodika
wie zu den - wie auch immer - ausgewählten Beiträgen ist von durchaus
wünschenswerter Pingelichkeit. Und welcher Bibliothekar wäre nicht
sofort in Habachtstellung, wenn es heißt, die (Göttingische)
Philosophische Bibliothek gebe "einige Kurz-Biobibliographien von
Gelehrten, die in der ADB in der Mehrzahl nicht aufgeführt sind!" (S.
26).
Rainer Fürst
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