Die Beiträge sind in vier Gruppen untergliedert: 17 Autoren widmen sich den Bibeln des Mittelalters, neun Beiträge gelten der Reformationszeit, vier dem 19. und elf dem 20. Jahrhundert. Die thematische Vielfalt ist beeindruckend und kann hier nur angedeutet werden.
Die Studien zum Mittelalter (S. 21 - 142) etwa beginnen mit einem Beitrag zu den ältesten Textzeugen auf Schweizer Boden, den Papyri der Bibliotheca Bodmeriana in Cologny bei Genf, und widmen sich sodann entweder bedeutenden Skriptorien (etwa in St. Gallen, Einsiedeln und Engelberg) oder berühmten Handschriften aus Schweizer Klöstern wie z.B. der in Tours entstandenen Bibel von Moutier-Grandval (ca. 835 entstanden, heute in der British Library) und dem Evangelistar von Beromünster aus dem 14. Jahrhundert. Weitere Beiträge befassen sich mit Bibelhandschriften in heute bestehenden Sammlungen wie der Berner Burgerbibliothek, der Zentralbibliothek in Zürich und der Universitätsbibliothek in Basel; der Beitrag über die Basler Bibeln des 15. Jahrhunderts leitet bereits über in die Zeit des frühen Buchdrucks und endet mit Erasmus' griechisch-lateinischem Neuen Testament, das 1516 bei Johannes Froben gedruckt wurde. Besondere Beachtung verdienen zwei Studien zu reich geschmückten hebräischen Handschriften des Spätmittelalters: zu einer ashkenasischen Bibel, die Ende des 13. Jahrhunderts in der deutschsprachigen Schweiz entstanden ist und heute in der Bibliothèque Nationale in Paris aufbewahrt wird, und zu reich illuminierten hebräischen Manuskripten des 14. Jahrhunderts.
Das Zeitalter der Reformation und der Konfessionalisierung brachte
nicht nur große editorische Leistungen mit sich, sondern vor allem
eine Vielzahl von Neuübersetzungen, sei es in die Gelehrtensprache
Latein, sei es in die Volkssprachen. So befassen sich die einzelnen
Beiträge mit der Bedeutung der Druckorte Basel und Genf, mit der
französischen Übersetzung Pierre Robert Olivetans, mit dem Schicksal
der Zürcher Bibel[4] von 1524 bis in die Gegenwart und mit der Rezeption
von Johannes Piscators Bibelübersetzung in Bern (wo man aus
tiefwurzelndem Konkurrenzdenken heraus nicht auf die Zürcher Version
zurückgreifen wollte). Zwei hochinteressante Aufsätze widmen sich den
rätoromanischen Übersetzungen (u.a. dem 1560 erschienenen Neuen
Testament von Jachiam Biffrun) bzw. den Bibeln der italienischen
Glaubensflüchtlinge des 16. bis 18. Jahrhunderts, für die in der
Schweiz gedruckte volkssprachliche Bibelausgaben (v.a. die
Diodati-Bibel) zur Verfügung gestellt wurden, während im Italien der
Gegenreformation volkssprachliche Bibeldrucke von 1567 bis 1757 streng
verboten blieben.
Vier Beiträge gelten den Bestrebungen der im 19. Jahrhundert
gegründeten Bibelgesellschaften in Basel und Genf, den biblischen
Texten möglichst weite Verbreitung sowohl in der Schweiz als auch
- durch Übersetzung in außereuropäische Sprachen - in den
Missionsgebieten zu sichern. Die Aufsätze zum 20. Jahrhundert
schließlich führen die vielfachen Bemühungen um neue, zeitgemäße
Bibelübersetzungen vor Augen, die zum einen im Zeichen der Ökumene auf
interkonfessionell erarbeitete Versionen abzielen, zum anderen
umgangsprachliche Fassungen auf Deutsch, Französisch und Italienisch
bereitstellen oder gar zur Dialektübersetzung ins Berndeutsche
führen.
Ein beindruckendes Bibelregister, das chronologisch geordnet ist,
führt anschaulich vor Augen, wie zahlreich die im vorliegenden Band
verfolgten Spuren für Rezeption und Produktion biblischer Texte in der
Schweiz sind. Bei aller Vielfalt der von den Autoren gewählten
Perspektiven konzentrieren sich die Beiträge in kohärenter Weise
darauf, zu zeigen, mit welchen Mitteln und Absichten auf dem Gebiet
der Schweiz die angemessene Ausstattung und die Verbreitung des
Bibeltexts über fast 2000 Jahre hinweg betrieben wurde und wird.
Christian Heitzmann
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