Das vorliegende Handbuch und Nachschlagewerk zu den slavischen
Sprachen besteht aus insgesamt fünf Teilen. Im 1. Teil Urslavisch und
Altkirchenslavisch (S. 17 - 48) behandelt Wolfgang Hock die
sprachliche Vor- und Frühgeschichte der Slavia. Im 2. Teil (S. 49
- 144) werden die heutigen ostslavischen Standardsprachen, das
Russische
von Tilman Berger (S. 49 - 93), das Ukrainische von Ulrich Schweier
(S. 94 - 109), das Weißrussische von Hermann Bieder (S. 110 - 125),
ferner die Mikrosprachen[2] Russinisch von Aleksandr Dulicenko (S. 126
- 140) sowie Westpolessisch von Andrea Luft (S. 141 - 144)
vorgestellt.
Im 3. Teil wird die Übersicht mit den westslavischen Sprachen
fortgeführt, und zwar haben Henrik Birnbaum und Jerzy Molas das
Polnische (S. 145 - 164), Ewa Rzetelska-Feleszko das ausgestorbene
Elb- und Ostseeslavische (S. 165 - 170), Edward Breza das Kaschubische
(S. 171 - 177), Gerald Stone das Obersorbische (S. 178 - 187) und das
Niedersorbische (S. 188 - 193), Josef Vintr das Tschechische (S. 194
- 213) und das Slovakische (S. 214 - 229) übernommen. Der 4. Teil
umfaßt
die südslavischen Sprachen und weist die meisten Neuerungen auf. Von
Peter Rehder werden das Slovenische (S. 230 - 245), außerdem das
Kroatische (S. 250 - 267), das Serbische (S. 279 - 295), das Bosnische
(S. 296 - 299), das Serbokroatische (S. 300 - 309) sowie das
Makedonische (S. 331 - 346) und von Peter Hill das Bulgarische (S. 310
- 325) beschrieben. Ferner gibt es noch die neuen Kapitel zu den
südslavischen Mikrosprachen, zum Resianischen (S. 246 - 249) und zum
Banater Bulgarischen (S. 326 - 330) von Aleksandr Dulicenko, zum
Burgenländisch-Kroatischen (S. 268 - 273) von Gerhard Neweklowsky
sowie zum Moliseslavischen (S. 274 - 278) von Walter Breu. Der 5., als
Anhang deklarierte Teil enthält noch eine Einführung in die
Balkanphilologie (S. 347 - 364) von Wilfried Fiedler. Man könnte gegen
diesen ebenfalls neuen Artikel einwenden, daß er nicht unbedingt in
ein Kompendium der slavischen Sprachen gehört. Allerdings bilden die
südslavischen Sprachen einen wichtigen Bestandteil des
Balkansprachbundes, so daß man seine Aufnahme in dieses Werk durchaus
rechtfertigen kann. Den Abschluß des Bandes bilden ein kurzes
Sachregister und ein Abkürzungsverzeichnis.
Die vorliegende Neuauflage zeichnet sich zunächst durch eine
Aktualisierung und Erweiterung der früheren Artikel aus, die bis auf
wenige Ausnahmen wieder von den bisherigen Autoren übernommen wurden.
Der parallele Aufbau der Artikel (Einführung, Alphabet, Lautsystem,
Flexionsmorphologie, Derivationsmorphologie, Syntax, Lexik, Dialekt,
Sprachgeschichte, Literaturliste) bietet dem Leser einen kompakten
Überblick. Erheblich verbessert wurde die Handhabung durch ein
übersichtlicheres Layout. Eine wesentliche inhaltliche Erweiterung
stellt ferner die erstmalige Berücksichtigung der slavischen
Mikrosprachen dar, die in vergleichbaren in- und ausländischen
Darstellungen immer noch fehlen. Allerdings zeigt der im Vergleich zu
den "großen" Sprachen wesentlich geringere Umfang dieser Beiträge, daß
sie von der Wissenschaft erst peripher wahrgenommen werden. Das wird
sich sicherlich ändern müssen, zumal da sich weitere Entwicklungen
abzeichnen, die hier noch nicht berücksichtigt wurden. In
Nordgriechenland gibt es Versuche, eine pomakische Schriftsprache zu
bilden, und in Montenegro wird die Frage einer eigenen, vom Serbischen
unterschiedenen Standardsprache diskutiert.
Eine völlig neue Konzeption mußte der Herausgeber der Einführung
aufgrund der seit dem Erscheinen der letzten Auflage in Südosteuropa
eingetretenen dramatischen Veränderungen für das einstige Kapitel
Serbokroatisch wählen. Der staatliche Zerfall Jugoslawiens hat zu
einer Aufspaltung der ehemals gemeinsamen Standardsprache und der
Etablierung neuer Einheiten an deren Stelle, des Serbischen,
Kroatischen und Bosnischen geführt. Die von der politischen Räson
geforderte separate Behandlung dieser Sprachen verdeckt freilich, wie
gering die Unterschiede zwischen ihnen - abgesehen von der Lexik - in
Wirklichkeit sind. Die Ausführungen über das Lautsystem, über die
Flexionsmorphologie sowie über die Syntax sind, wie der Verfasser
selbst anmerkt (S. 252), überwiegend identisch. Trotz dieser Änderung
wurde das Stichwort Serbokroatisch (S. 300 - 309) noch keineswegs
obsolet, sondern ist weiterhin für dialektologische und
sprachgeschichtliche Darstellungen nützlich.
Diese Einführung ist sicherlich ein wichtiges Nachschlagewerk in
deutscher Sprache für Studenten und auch für interessierte Laien zur
schnellen und zuverlässigen Information über die Vielfalt die
slavischen Sprachen. Vielleicht sollte man bei der nächsten
Neuauflage, die wegen der steigenden Dynamik der Slavistik sicherlich
in einigen Jahren wieder erforderlich sein wird, auch einige
Sprachgebietskarten hinzufügen.
Klaus Steinke
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