Während sich die Auswahl der Werke für den ersten Band noch fast
zwanglos aus der Kanonisierung ergibt, haben sich die Herausgeber bei
den Bänden 2 und 3 für eine sehr weitgezogene Selektion entschieden.
Man sucht kaum irgendwo nach auch nur halbwegs wichtigen Titeln
vergebens. Ein paar Beispiele mögen genügen, um die Fülle der
verzeichneten Werke zu belegen: Von H. Clauren ist nicht nur die
Erzählung Mimili, sondern auch Das Raubschloß berücksichtigt, von
Hermann Sudermann nicht nur Der Katzensteg, sondern auch Frau Sorge.
Von Gerhart Hauptmann werden sieben Werke behandelt, die von
Bahnwärter Thiel bis zur Insel der großen Mutter reichen, Hauptmanns
"weiblicher Spielart der Robinsonade" nach Johann Jakob Bachofen.
Diese Auswahl dürfte eher der Präsenz des Autors im Bewußtsein des an
Literatur, freilich nicht an Literaturwissenschaft interessierten
Publikums entsprechen als die wegen ihrer eingängigen Flapsigkeit
gern[1] kolportierte, aber nie nachgeprüfte Behauptung, außer dem
"Thiel" sei nichts mehr bekannt, gegen die allein schon die
Verfügbarkeit des Hauptmannschen Oeuvre im Taschenbuch spricht.
Angesichts der verstärkten Einbeziehung der NS-Literatur in die
Forschung, die sich inzwischen auch im Lehrbetrieb der Universitäten
spiegelt, ist nur zu begrüßen, wenn mit der entsprechenden Wertung
auch über einen Blut-und-Boden-Autor wie Erwin Guido Kolbenheyer
berichtet wird.
Aber das Werk orientiert sich nicht so sehr an den Erwartungen der
Forschung wie an denen solcher Leser, die aus Vergnügen lesen und nach
ein wenig systematischer Übersicht suchen, ohne ihre kostbare Lesezeit
für die Beschäftigung mit germanistischen Arbeiten drangeben zu
wollen.
Die durchweg von ausgewiesenen Kennern formulierten kleinen Artikel,
deren Umfang von einer bis zu wenigen Seiten reicht, fassen den Inhalt
zusammen, unterrichten über wichtige Fragen der Überlieferung oder der
Wirkung und bieten erste interpretatorische Ansätze. Abgesehen von der
Anführung der Erstausgaben (gegebenenfalls zusätzlich der Erstdruck in
einer Zeitschrift) finden sich keine bibliographischen Hinweise.
Die Artikel sind wesentlich kürzer als im Kindler, aber deutlich
ausführlicher als im Werkteil von Wilperts Lexikon der Weltliteratur[2]
(wo sich freilich Literaturhinweise finden). Ein Notbehelf - zugleich
aus dem Zeitgeist und gegen denselben. Dennoch wäre man froh, die
Studenten der Germanistik wüßten wenigstens einiges davon, was sie aus
diesem Bändchen schon beim bloßen Schmökern in den sehr unprätentiös
geschriebenen Artikeln verständlich erfahren können, z.B. über das
hübsche Märe von Aristoteles und Phyllis. Sie können die Bände auch
als eine erweiterte "Leseliste" nutzen.
Hans-Albrecht Koch
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