Da inzwischen mehrere Besprechungen, unter anderem auch in
bibliothekarischen Zeitschriften, vorliegen[1] und die Inhalte,
Planungen und Ziele dieser CD-ROM hinreichend erläutert sind,[2] mag
hier eine Beschreibung, eine Darstellung des Verhältnisses zu den
laufenden und retrospektiven Bibliographien sowie eine Bewertung aus
der Praxis genügen.
Die CD-ROM ist die erweiterte, kumulierte und überarbeitete
Fortführung der bisherigen laufenden Jahresbibliographie zu William
Shakespeare und seiner Epoche im jeweils letzten Heft der Zeitschrift
Shakespeare quarterly, die seit 1950 erscheint. Diese gemeinsam mit
der Folger Shakespeare Library erstellte Standardbibliographie wurde
bereits in der Printform wegen ihrer guten Erschließung, Struktur und
weitmöglichsten Vollständigkeit an allen wissenschaftlichen
Bibliotheken benötigt. Die für die Rezension benutzte 2. Ausg.[3] der
CD-ROM deckt mit über 24.000 Einträgen die Berichtszeit 1987/94 mit
internationaler Ausrichtung und annotierten Einträgen zu William
Shakespeare und der englischen Renaissance weltweit und aus 80
Sprachen ab. Die CD-ROM soll jährlich in festgelegten Arbeitsschritten
ein Jahr nach vorne und drei Jahre nach rückwärts erweitert werden[4]
und in der Endform die Recherche von 1900 bis in die unmittelbare
Gegenwart erlauben.
Wie in der Druckausgabe wird eine größtmögliche Vollständigkeit bei
allen Arten von Literatur, Medien und Software in jeder Form
angestrebt, die sich allein oder zu einem beträchtlichen Teil mit dem
Dichter befaßt. Ebenso sollen alle Aufführungen, Bearbeitungen,
Darbietungen und Vertonungen seiner Werke in all ihren Formen mitsamt
den Regisseuren, Schauspielern und Sprechern verzeichnet werden.
Analoges gilt für die Besprechungen zur Literatur, zu den Medien und
zur Software sowie zu den Dramatisierungen, Verfilmungen, Vertonungen,
Werkaufführungen und Wiedergaben in allen Formen, ausgenommen
Zweitaufzeichnungen.
Die CD-ROM bildet die Feinstruktur, die Klassifikation und den
Seitenlauf der gedruckten Jahresbibliographie ab, ist also an Hand der
gewohnten Sachgruppen General Shakespeareana, Play Groups, Individual
Works und Indexes mitsamt ihren Untergruppen recherchierbar. Die schon
in der Druckausgabe zahlreichen Verweisungen sind als Hypertext-Links
auch in der CD-ROM abgebildet. Zusätzlich verfügt die CD-ROM über eine
Vielzahl von Siehe-auch-Verweisungen, die über ein entsprechendes Icon
auffindbar sind. Jeder individuelle Eintrag bringt die volle
bibliographische Beschreibung und eine kurze Annotation in Englisch.
Die Einträge können nach Buch- und Zeitschriftentitel,
Erscheinungsdatum, Inhalt, Publikationsart, Sprache, Trägermedium und
Verleger gesucht werden. Ebenso ist die Recherche mittels Boolescher
Operatoren und die Umfeldsuche über das Dyna-Text-Programm möglich.
Der Benutzer kann auch eigene Links, Lesezeichen sowie Notizen
einbringen und bei den Einträgen speichern. Das Setzen dieser Links,
die Nutzung der Verweisungen, die volle Ausschöpfung der
Suchmöglichkeiten sowie das Herunterladen und Speichern sind zunächst
ungewohnt, können aber rasch erlernt werden. Freilich ist, wie bei der
Mehrzahl der in den Bibliotheken angebotenen CD-ROMs, auch bei dieser
im Prinzip benutzerfreundlichen Form und Aufbereitung eine begleitende
Benutzerschulung sinnvoll.
Die Installation der CD-ROM, die auf Macintosh (ab System 7 oder
höher) und Windows (ab Version 3.1 oder höher) läuft, bereitet keine
Probleme. Das hilfreiche Begleitbüchlein erklärt den Inhalt der
Bibliographie, alle Funktionen und Sucheinstiege sowie die
modifizierte SGML/TEI-Kodierung und andere Details bis hin zur Suche
bei Sonderzeichen.
2. Das Verhältnis zu den gedruckten retrospektiven und laufenden
Shakespeare-Bibliographien
Leider kann diese CD-ROM zum jetzigen Zeitpunkt zumindest einen Teil
der gedruckten retrospektiven und laufenden Bibliographien nicht
ersetzen.[5] Insbesondere die laufenden Jahresbibliographien und
Shakespeare-Zeitschriften mitsamt ihrem bibliographischen Material
behalten nämlich für die nahe und mittlere Zukunft ihren Wert, da sie,
abgesehen von den wissenschaftlichen Artikeln und der
Jahresbibliographie, in Überblicksartikeln, Sammelrezensionen und
Themenschwerpunkten ein vertieftes Bild des Forschungsstandes bieten.
Sie werden somit bis auf weiteres neben den großen laufenden
Fachbibliographien, wie der ABELL, der MLAIB oder dem Year's work in
English studies benötigt, die freilich alle in der Verzeichnung der
Shakespeare-Literatur naturgemäß weit weniger vollständig sind. An der
Spitze dieser laufenden Bibliographien, die auch die Shakespearezeit
behandeln, dürften auch weiterhin, um nur die wichtigsten zu nennen,
einerseits die Titel Shakespeare quarterly, die für jeden
philologischen Fachlesesaal unabdingbare Zeitschrift mit der großen
Jahresbibliographie, die die Grundlage der CD-ROM bildet, Shakespeare
survey[6] und Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft[7] stehen
und andererseits auch die großen Epochenbibliographien, wie sie etwa
in den Studies in English literature 1500 - 1900[8] oder in der English
literary renaissance[9] enthalten sind, unentbehrlich bleiben.
Ähnliches gilt - aus Platzgründen können nur die wichtigsten genannt
werden - für die großen retrospektiven Bibliographien[10] von Walther
Ebisch und Levin L. Schücking, von Gordon R. Smith, Larry S. Champion,
Bruce T. Sajdak und anderen. Solange diese CD-ROM den retrospektiven
Bereich nicht völlig abdeckt, und andere CD-ROM-Bibliographien aus
Kostengründen nicht angeboten werden können, wie etwa die im späteren
Kontext zu besprechende ABELL-CD-ROM, müssen diese Bibliographien in
den Informationsapparaten auch weiterhin bereitstehen. Bis auf
weiteres kann auch auf den Catalog of the Shakespeare Collection der
Folger Shakespeare Library[11] und die Garland Shakespeare
bibliographies[12] nicht verzichtet werden.
3. Zusammenfassende Bewertung und Vergleich der CD-ROM mit anderen,
für die Shakespeare-Forschung relevanten elektronischen
Offline-Bibliographien
Für die Kaufentscheidung ist zusammenfassend auf folgende Punkte zu
verweisen:
1. Diese in einigen technischen Details[13] noch nicht ganz überzeugende
CD-ROM weist gegenüber der Printversion im Shakespeare quarterly und
anderen gedruckten Bibliographien die Vorteile des größeren Komforts,
der massiven Zeitersparnis, der vermehrten und mehrdimensionalen
Sucheinstiege sowie der Zusatzfunktionen auf. Die CD-ROM mitsamt ihrer
Benutzeroberfläche und Software erfüllt die Erwartungen in der Praxis
und entspricht den Kriterien,[14] die an eine CD-ROM-gebundene
bibliographische Recherche gestellt werden können. Alle
Voraussetzungen für eine praktisch fehlerfreie, in der Vollständigkeit
kaum zu übertreffende Zugriffsmöglichkeit auf den aktuellen
Wissensstand der weltweiten Shakespeare-Forschung sind gegeben. Diese
CD-ROM kann somit, sofern die Frage des Preises keine Rolle spielt,
als Vorbild für andere Felder der Literaturwissenschaft dienen, da sie
mehrschichtige, komparatistisch und interdisziplinär angelegte
Forschungsansätze zum Teil erst ermöglicht oder beschleunigt.
2. Die allerdings gegenüber den Printformen fehlende Aktualität und
der jetzt noch geringe retrospektive Suchraum müssen aber bei der
Entscheidung ebenso abgewogen werden wie die zunächst ungewohnte und
in deutschen Bibliotheken selten anzutreffende Retrieval-Software und
Benutzeroberfläche. Will man schon jetzt größere Berichtsräume in
einer elektronischen Suche abdecken, bleibt zunächst nur die sehr
teuere ABELL-CD-ROM[15] oder ihr Online-Zugriff, die weit verbreitete
MLAIB-CD-ROM oder die ältere Bibliographie David Bevingtons, die im
Rahmen der Arden Shakespeare CD-ROM[16] genutzt werden kann. Alle drei
Bibliographien bieten jedoch bei weitem nicht die Vollständigkeit und
die Hilfsmöglichkeiten der Shakespeare-CD-ROM. Die ABELL-CD-ROM ist
zur Zeit vom Zeitraum her - sie reicht von 1920 bis zur Gegenwart
- die umfassendste und beste elektronische Offline-Datenbank zur
englischen Philologie und damit auch zu Shakespeare. Sofern möglich,
wäre sie dringend parallel zur weit verbreiteten MLAIB-CD-ROM
anzubieten. Letztere ist als einzige bibliographische Datenbank aus
anglistischer Sicht trotz ihres recht geringen retrospektiven
Suchraums und anderer Defizite für die Zwecke der
Shakespeare-Forschung relevant.
3. Da Harrison T. Meseroles und John B. Smith' Cumulative Shakespeare
bibliography,[17] die ähnliche Ziele wie die vorliegende Shakespeare
CD-ROM verfolgte, nicht auf den Markt kam, bleibt Harners World
Shakespeare bibliography on CD-ROM trotz des hohen Preises eine
sinnvolle Anschaffung; sie ist für den Spitzenbedarf fast
unentbehrlich, kann allerdings die laufenden Shakespeare-Zeitschriften
mit ihren bibliographischen Teilen und ihren Jahresbibliographien zum
jetzigen Zeitpunkt noch nicht ersetzen. Dabei ist allerdings zu
fragen, wie weit nicht der Essay and general literature index, der
Arts and humanities citation index und der Humanities index[18] sowie die
Möglichkeiten des Internet[19] subsidiär zu nutzen sind.
4. Die in Münster erarbeitete Shakespeare database CD-ROM[20] dürfte erst
später auf den Markt kommen und insbesondere für Zwecke der
linguistischen Forschung wichtig werden. Die seit 1995 angebotene
CD-ROM Editions and adaptations of Shakespeare[21] stellt eine
wesentliche Hilfe für die Erforschung der Textgeschichte Shakespeares
von 1623 - 1866 und die Editionsphilologie dar. Wie weit diese
letztgenannten CD-ROM-Ausgaben in der bibliographischen Suche nutzbar
sind, bleibt abzuwarten.
Sebastian Köppl
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