Über diesen eher irreführenden Hinweis hinaus präzisiert das Vorwort in knapper Form Zielsetzung, Zielgruppe, Inhalt und Vorgehensweise der Einführung: Sie will "wissenschaftliche Hilfestellung" bei der Beschäftigung mit italienischer Literatur leisten und richtet sich demnach nicht ausschließlich, aber vorrangig an Studierende der Italianistik, denen das Buch im Unterricht oder im Selbststudium das begriffliche Instrumentarium für die Arbeit an Texten liefern soll. Als Ergänzung zu diesem Instrumentarium fungieren auf der einen Seite ein bibliographischer Überblick über sogenannte Hilfsmittel wie z.B. Nachschlagewerke und Literaturgeschichten, Fachzeitschriften und Bibliographien, auf der anderen ein historischer Überblick sowohl über die italienische Literatur als auch über die italienische Literaturkritik und Literaturwissenschaft sowie eine Anthologie, die ihrerseits literarische und literaturwissenschaftliche Texte enthält, letztere allerdings in geringer Zahl und ohne ein italienisches Beispiel darunter. In allen Kapiteln finden sich Musteraufgaben, deren Lösungen am Ende des Bandes zusammengestellt sind, den eine wiederum knappe, aber gewiß hilfreiche Anleitung Zur äußeren Form schriftlicher Arbeiten beschließt.
Bereits ein Blick in das Inhaltsverzeichnis einer der früheren
Auflagen[3] macht deutlich, daß sich außer dem hinzugekommenen Vorwort
zu Beginn und dem Quellennachweis am Ende nicht allzuviel verändert
hat: Einige Kapitel wurden umgestellt, weniges kam hinzu, die
zahlreicher gewordenen Aufgaben befinden sich nicht mehr als Block am
Ende, sondern im Buch verteilt, sind teilweise allgemeiner gehalten
und, wie erwähnt, jetzt mit Lösungen versehen. Diese liefern oft
zusätzliche Informationen, die vorher z.T. in Fußnoten des Hauptteils
untergebracht waren, und machen das Buch eher als die bisherigen
Ausgaben zum Selbststudium geeignet, zumal mit diesem Schlüssel
mögliche Herangehens- oder auch Ausdrucksweisen vorgeführt werden.
Allerdings bleiben die vorgeschlagenen Lösungen stellenweise - bei dem
wenigen zur Verfügung stehenden Platz vielleicht zwangsläufig - wenig
originell[4] und recht mager.[5]
Der detaillierte Vergleich der einzelnen Kapitel bestätigt den aus den
Inhaltsverzeichnissen von 1991 und 1998 gewonnenen Eindruck. So wurde
etwa der bibliographische erste Teil um einige aktuelle Titel sowie um
die Rubrik Wörterbücher ergänzt, die bedauerlichen Lücken vor allem im
Bereich der Anthologien sind jedoch nicht geschlossen, deren Liste ein
merkwürdig unausgewogenes Bild abgibt, da etwa unter den 15 zur Lyrik
angegebenen Titeln nach den drei umfassenden Gedichtbänden vier für
die Zeit vom 13. bis zum 17. Jahrhundert und acht für das Novecento
genannt werden, kein einziger Band jedoch die Lyrik des 18. und vor
allem des 19. Jahrhunderts speziell erfaßt, was der Bedeutung etwa von
Leopardi und Foscolo für die italienische Literatur gewiß nicht
entspricht. Ähnlich gibt es keine "Erzählprosa" nach dem 16.
Jahrhundert und vor 1860 und beschränken sich die Theateranthologien
auf einen Band zum 17. Jahrhundert und zwei Titeln zur Commedia
dell'arte, so daß beispielsweise die Renaissancekomödie ebenso
entfällt wie das reichhaltige Spektrum an Theaterformen im 18.
Jahrhundert oder die oft experimentelle Theaterliteratur des 20.
Jahrhunderts.
Während im theoretischen Teil die ersten beiden Kapitel Was ist
Literatur? und Wissenschaft, Wissenschaftssprache, Theoriebildung
ebenso wie das vierte, Was ist ein Text?, bis auf einige
Umformulierungen und Präzisierungen, Hinzufügungen und Weglassungen[6]
weitgehend identisch geblieben sind, wurde das dritte Kapitel Was ist
Literaturwissenschaft? beträchtlich erweitert: Reihten sich vorher auf
ungefähr einer Seite mehrere etwa anderthalb Zeilen lange Definitionen
aneinander, entfielen jetzt einige der früheren Bereiche der
Literaturwissenschaft wie etwa die Quellen- oder Einflußforschung,
aber kamen aktuellere wie Intertextualitätsforschung und
Textlinguistik hinzu und werden auf den über dreizehn ungleich
informativeren Seiten zahlreiche Fachbegriffe, z.T. in italienischer
Sprache, eingeführt. Die folgenden Kapitel zur Textkonstitution und zu
den literarischen Gattungen wurden teilweise übernommen, teilweise
erweitert oder auch verständlicher gemacht, indem mehr Beispiele
angeführt und nicht definierte Fachbegriffe weggelassen, dafür aber
mehr italienische Entsprechungen angegeben wurden.[7] Nach wie vor
jedoch ist die Textanalyse in den Bereichen Lyrik und Drama gegenüber
der Narrativik[8] eher stiefmütterlich behandelt, zumal sich das
Instrumentarium in beiden Kapiteln nahezu auf einige Definitionen
beschränkt, so daß gegenüber der wesentlich detaillierteren Anleitung
zur Erzähltextanalyse nicht nur ein quantitativer Unterschied, sondern
zudem ein methodologischer Bruch besteht.
Im historischen Teil der Einführung wurde zwar das zweite Kapitel
ausführlicher, das erste hingegen, die Literaturgeschichte, die die
Fragen aufwirft, die wohl jede nicht einmal 20 Seiten lange
Zusammenfassung der gesamten italienischen Literatur aufwerfen muß,[9]
inhaltlich insgesamt wenig verändert, nur am Ende um einige Autoren
und Daten aktualisiert - der Dario Fo 1997 verliehene Nobelpreis ist
bereits erwähnt (S. 117) -, dafür aber optisch ansprechender und
leserfreundlicher gestaltet, wenngleich die einzelnen Autoren teils
mit, teils ohne Lebensdaten genannt werden und sich letztere manchmal
im Text, manchmal in der Marginalspalte befinden. Die kurzen
Einführungen zu den einzelnen Autoren in der folgenden Anthologie, die
bis auf wenige Ausnahmen dieselbe Auswahl darstellt wie in den
früheren Ausgaben, bieten eine recht gute Ergänzung zu dieser
Literaturgeschichte im Westentaschenformat, zumal bei einzelnen
Arbeitsaufgaben zusätzliche Sachinformationen, Begriffsdefinitionen
oder auch Erläuterungen (etwa zu dem Faksimile-Druck und dem
kritischen Apparat eines Leopardi-Gedichts) gegeben werden.
Insgesamt läßt sich festhalten, daß sich das Buch in der
überarbeiteten Fassung vermutlich - die Praxis wird es erweisen
- besser zum Selbststudium eignet als seine Vorgänger, zumal einige
Mängel, etwa die geringe Zahl an Übungen oder die fehlende
Kommentierung in der Anthologie, jetzt beseitigt sind. Auch ist es
bedeutend übersichtlicher gestaltet und besser gebunden, so daß es
schon durch diese - freilich mit einem wesentlich höheren Preis
erkauften - Äußerlichkeiten eher zum Lern- oder Arbeitsbuch taugt als
die rasch in eine Loseblattsammlung verwandelte vorige Ausgabe. Leider
fehlt noch immer ein Register zumindest der Sachbegriffe, das sich als
hilfreich erweisen könnte, wenn etwa Begriffe wie Ellipse und
Aposiopese durch 17 Seiten voneinander getrennt sind und wenn das Werk
nicht nur als eine erste Einführung zu Beginn des Studiums Dienste
leisten, sondern sich zudem als Nachschlagewerk auch noch später
buchstäblich bezahlt machen soll. Als Grundlage für einen
Einführungskurs in die italienische Literaturwissenschaft bedarf es
allerdings an einigen Stellen wie etwa der Analyse von Theatertext[10]
gewiß der Ergänzung durch andere Hilfsmittel, Instrumentarien oder
Einführungen.
Barbara Kuhn
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