Das Buch enthält zwar ein Namensverzeichnis mit Lebensjahren und
Kurzdefinition (z.B. Prosaiker, Dramatiker, Publizist), aber dies ist
kein Register: Es fehlen die Seitenangaben. Um das Buch für
wissenschaftliche Zwecke benutzen zu können, muß man sich als erstes
wenigstens die Seiten der in Unterabschnitten bis zu sechs Seiten
charakterisierten Schriftsteller notieren. Die Bücher von Michajlov
und Lanin haben übrigens dieselbe Schwäche. Nützlich sind bei Agenosov
die annotierten Bibliographien nach den 22 Autorenkapiteln, besonders
weil er um einen vollständigen Nachweis der Veröffentlichungen in
Rußland, die um 1987 begannen, bemüht ist. Die Orientierung auf den
russischen Schulgebrauch hat zwar die Darstellung wissenschaftlich
nicht gesenkt - exakte Quellenangaben bei Zitaten sind in Rußland
ohnehin eine Ausnahme -, aber sie schließt Hinweise auf nichtrussische
Sekundärliteratur aus.[3]
In der Anthologie werden die drei Dichterinnen mit einer guten Auswahl
ihres Schaffens - bei Valentina Sinkevic 162 Gedichte - vorgestellt.
Kleine Porträts stammen von verschiedenen Autoren. Sie ergänzen auch
das in der Literaturgeschichte gegebene Bild, in der Agenosov für vier
Kapitel ebenfalls andere Wissenschaftler herangezogen hat. Stärker
hätte das Verdienst von Valentina Sinkevic, einst Zwangsarbeiterin in
Deutschland, betont werden können, daß sie sich mit der inzwischen
über zwanzigjährigen mustergültigen Edition einer jährlichen
Lyrikanthologie Vstreci russischer emigrierter Dichter und der
einzigen Anthologie der Lyriker der Zweiten Emigration Berega (1992)
erworben hat.[4]
Agenosovs gründlich, mit gutem literarischem Verständnis und gegenüber
der Sowjetzeit kritischen Haltung gearbeitete Literaturgeschichte kann
allen Universitätsbibliotheken ebenso empfohlen werden wie seine
angesichts der äußerst seltenen Einzelbände der drei Lyrikerinnen
wertvolle und einmalige Anthologie.
Das in der eigentlich guten Reihe "Schule der Klassik" erschienene
Buch über die russische Auslandsliteratur des 20. Jahrhunderts enthält
Texte von Schriftstellern der drei Emigrationen und Kritiken von ihnen
und über sie. Es ist ein Zeichen der aktuellen Bemühungen, die in der
Sowjetzeit Gebannten zu integrieren. Als Nachschlagewerk ist es
schlecht: kein Register, pauschales Inhaltsverzeichnis. Man findet
z.B. auf 173 Seiten Gedichte von 28 namentlich nicht aufgeführten
Lyrikern der ersten und zweiten Welle (von der dritten nur Prosa), zu
36 Autoren Biographisches (bekannte Lebensdaten fehlen), verschieden
lange Prosa, mehrere zeitgenössische Kritiken zu einer untypischen
Auswahl von sieben, allerdings wichtigen Autoren. Das meiste wirkt
zufällig, keine Zeile von Bunin, Remizov, Solzenicyn, Vojnovic usw.
Die miserable Redaktion macht angesichts der Fülle des oft guten
Materials eine philologische Nutzung zur Qual oder zum Glücksspiel.
Wolfgang Kasack
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