Der größte Teil des vorliegenden Bandes widmet sich den einzelnen literarischen Gattungen und ihren Verästelungen, die - unter verständlichem Verzicht auf Theoriebildung - eine übersichtliche Gliederung des gewaltigen Stoffes ermöglichen. Nach einführenden Hinweisen auf die Bedeutung antiker, aber auch mittelalterlicher Modelle für die neulateinische Literatur folgt ein systematischer Überblick über alle Zweige der Dichtung, des Dramas, der Kunst- und der Wissenschaftsprosa. In kurz gefaßten Abschnitten werden die einzelnen Gattungen prägnant charakterisiert und mit repräsentativen Vertretern, oft auch anhand von kurzen, aussagekräftigen Textbeispielen vorgestellt. Der Darstellung schließt sich nach jedem Kapitel eine meist umfangreiche Auswahlbibliographie an, die einerseits übergreifende Studien verzeichnet, andererseits Editionen und Forschungsliteratur zu einzelnen Autoren nennt. Breiten Raum nehmen erwartungsgemäß die typisch humanistischen Gebiete der Poesie, Redekunst, Moralphilosophie und Geschichtsschreibung ein. Beeindruckend wird jedoch daneben vor Augen geführt, welche überragende Bedeutung die lateinische Sprache bis ins 18. Jahrhundert für den europaweiten Wissenstransfer im Bereich der Natur- und Geowissenschaften behielt.
Ein weiteres Großkapitel befaßt sich mit Sprache, Stil, Prosodie und Metrik. Der Bogen spannt sich von der scharfen Kritik mancher Humanisten am Latein spätmittelalterlicher Scholastiker über das Phänomen des Ciceronianismus bis zur fortwährenden Aktualisierung des lateinischen Wortschatzes in der im Vatikan erscheinenden Zeitschrift Latinitas.
Der Abschnitt über Texte und Editionen schließlich informiert über gedruckte Bibliographien und Kataloge sowie über Datenbanken, die einen systematischen Zugriff auf die kaum überschaubare Fülle von gedruckten neulateinischen Texten ermöglichen. Die Diskussion aktueller Fragen der Editionspraxis betont zu Recht die Bedeutung der Benutzerfreundlichkeit in einer Zeit dramatisch abnehmender Lateinkenntnisse. Eine knappe Skizze zur Geschichte der neulateinischen Studien und zum aktuellen Stand ihrer Organisation beschließt den Band, der durch fünf Register (Autoren, Orte, Sachen, Handschriften, bemerkenswerte lateinische Begriffe) vorbildlich erschlossen wird.
Die Bedeutung des nunmehr vollständigen Companion besteht zum einen
darin, daß er eine weitgespannte Übersicht über die vorhandene
Forschungsliteratur bzw. die Hilfsmittel zu ihrer Erschließung bietet
und damit gleichsam ein Fundament für die laufende bibliographische
Erfassung von Neuerscheinungen in den einschlägigen
Jahresbibliographien legt.[2] Zum anderen kann die anregende Lektüre
dieses Werks als Schlüssel zur Entdeckung des reichen Schaffens
neulateinischer Autoren und als Ersatz für eine umfassende Geschichte
dieser lange Zeit vernachlässigten Literatur dienen.
Christian Heitzmann
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