Nun legt das Autorenduo einen Band vor, der den Anfänger auf den ersten Blick das Fürchten lehrt durch die Fülle und den Umfang der aufgeführten Titel; wie soll man das jemals bewältigen? Zunächst hilft hier die differenzierte und mit pädagogischem Geschick aufgebaute Gliederung des Stoffs. Nach einer allgemeinen Einführung folgt ein Geschichtlicher Überblick von den Ägyptern bis zum Ende des 15. Jahrhunderts auf 14 Seiten; dabei werden auch Byzanz und der Islam nicht ausgespart. Auf weiteren 7 Seiten wird die Grundlegung der abendländischen Kunstphilosophie von Platon und Aristoteles über Augustinus und Ps.-Dionysos Areopagita bis hin zum florentinischen Neoplatonismus abgehandelt. Geht das wirklich in dieser Kurzform? Aus beiden Kapiteln werden beim Benutzer wohl eher Klischees hängenbleiben; man hätte es hier auch bei einigen Literaturangaben bewenden lassen können. Dagegen geht es im Abschnitt Die Kunstpraxis und ihre Überlieferung erfreulich konkret um Stellenwert der Kunst, Beschreibung und Stilbegriff in der Antike. Ausführlich werden in den beiden folgenden Kapiteln der Umbruch in der Spätantike und in dieser Zeit entstandene literarische Werke vorgestellt, die das Weltbild des Mittelalters geprägt haben wie der Physiologus oder die Etymologiae Isidors von Sevilla. Der Bibel als wichtigster Quelle für mittelalterliche Kunst, ihrer Entstehung und Illustration ist ein eigenes Kapitel gewidmet.
Drei Kapitel beschäftigen sich mit der Deutung von Kunst im
Mittelalter, d.h. im wesentlichen mit Typologie,[1] und mit der heiklen
Frage einer mittelalterlichen Ästhetik jenseits von rein theologischen
Erwägungen, die aber nur wenig Greifbares bietet, weil die Theologie
die Überlieferung zu sehr dominiert; entsprechend spärlich sind hier
die Literaturangaben, was man den Autoren nicht vorwerfen kann. Einige
Beispiele ausdrücklich typologisch konzipierter Kunstwerke wie der
Klosterneuburger Altar oder die Biblia pauperum werden einzeln
vorgestellt, dazu Autorenhandschriften wie der Apokalypsenkommentar
des Beatus von Liébana oder der Liber floridus des Lambert von St.
Omer.
Im 11. Kapitel kommen Baubeschreibungen, Inventare, Chroniken,
Pilgerführer und Meisternamen zur Sprache, unter anderem wichtig als
Nachrichten über verlorene Denkmäler. Das nächste Kapitel ist den
wenigen erhaltenen Rezept- und Musterbüchern gewidmet, aus der
Schedula diversarium artium des Theophilus presbyter wird das
Inhaltsverzeichnis des ersten Buches referiert. Das Kapitel über das
Mönchtum ist so allgemein gehalten, daß auch hier wieder die
Literaturangaben genügt hätten.[2] Als weitere wichtige Quellen werden
auch Hagiographien[3] angeführt, wobei der Hinweis fehlt, daß viele
Vitae nicht mehr oder weniger zufällig entstanden sind, sondern oft
gerade als notwendige Bedingung im Hinblick auf die Kanonisation.
Schließlich geht es noch um die Deutung von (sakraler) Architektur,
die nach wie vor umstritten ist, wobei vor allem die Gotik die
Phantasie anregt. In einem letzten Abschnitt gibt es eine Kurzfassung
des nützlichen Buchs zur Terminologie der Buchmalerei von
Jacobi-Mirwald (s. IFB 99-1/4-240). Eher ein Anhang sind die Angaben
zu anderen Kunstgattungen wie Wandmalerei, Glasmalerei, Textilkunst,
Plastik etc. und zu historischen Hilfswissenschaften, vorwiegend in
Literaturangaben. Ein Register der Personen, Orte und Kunstwerke, das
etwas ausführlicher sein dürfte, schließt den Band ab.
Einige kleine Ergänzungen scheinen notwendig. In Kapitel 2, Abschnitt
Lexika sollten unbedingt genannt werden: Das Handwörterbuch von
Georges[4] und das Pons-Globalwörterbuch.[5] Im Abschnitt Editionen wäre
auch auf die seit einigen Jahren existierenden digitalisierten
Versionen (CD-ROM) von MPL und CC hinzuweisen. Vor allem im Kapitel 18
vermißt man einige Titel, z.B. 18.1.2. Heraldik: Der Armorial général
von Rietstap[6] und der Dictionnaire de Renesse,[7] 18.4.
Rechtsgeschichte: Das Corpus iuris canonici.[8] Auch wenn, wie eingangs
bemerkt, Lateinkenntnisse nicht mehr unbedingt vorausgesetzt werden
können, wünscht man sich doch neben Übersetzungen auch die Angabe von
Editionen der antiken und mittelalterlichen Texte, so z.B. der
Mirabilia urbis Romae oder der Pergrinatio Egeriae.
Alles in allem ein mutiges und gelungenes Unternehmen, das vor allem
dem Anfänger einen Leitfaden an die Hand gibt, aber auch vom
erfahreneren Kunsthistoriker mit Gewinn benutzt werden kann. Daß
Christine Jakobi-Mirwald nach ihrem Buch zur Terminologie der
Buchmalerei hier zum zweiten Mal an einer absoluten Neuheit
mitgearbeitet hat, soll zum Schluß noch besonders vermerkt werden.
Peter Burkhart
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