Der ca. 200 Seiten umfassende Teil Bautypologische Gliederung und Allgemeine Erläuterungen besteht aus den Kapiteln: NS-Städtebau; Partei- und Staatsbauten; Verwaltungs- und Dienstleistungsbauten; NS-Wohn- und Siedlungsbauten; HJ- und BDM-Heime, Schulungs- und Ordensburgen; Industriebauten; Kasernen- und Militärbauten; Verkehrsbauten; Ausstellungsbauten, Nobelhotels, Gastgewerbe, Herrensitze, Künstlerateliers; Freizeit- und Sporteinrichtungen; Theater- und Kulturbauten, Thing- und Freilichtstätten; Ehrenmäler und Kriegerdenkmäler; Konzentrationslager. Jedes Kapitel beginnt mit einführenden Texten, versehen mit zahlreichen Anmerkungen und Literaturhinweisen, in 11 der 14 Kapitel gibt es Beispiellisten von geplanten oder ausgeführten Bauwerken. Zu jedem Bauwerk werden angeführt: (offizieller) Name des Bauwerks, Entstehungsjahr(e), Architekt(en) bzw. planende Institution, Straße (heutiger Name), Ort, Notiz über den gegenwärtigen Zustand und die aktuelle Nutzung sowie eine Bauwerksbeschreibung im Umfang von wenigen Zeilen bis zu mehreren Seiten. Dem Aufbau der Kapitel liegt offenbar kein einheitliches Gliederungsschema zugrunde: manchmal folgt die Beispielliste direkt der zugehörigen Darstellung, manchmal erst am Ende des Kapitels als eine Gesamtliste. Die Beispiele in den Listen sollen "... sowohl nach inhaltlich abgegrenzten Baugattungen als auch nach einem örtlichen Gliederungsschema" (S. 10) geordnet sein. Das ist vom Leser aber nicht nachzuvollziehen. So beginnt das Kapitel Ausstellungsbauten ... mit dem einführenden Abschnitt NS-Ausstellungsbauten und zwei Beispielen, es folgt der Textabschnitt NS-Wohnsitze und Künstlerateliers mit einer Herrensitze überschriebenen Beispielliste (in der das Ateliergebäude von Speer aufgeführt ist) und einer Liste Atelierbauten (darin das Wohnhaus von Speer) und zum Abschluß - ohne textliche Einführung - eine Liste Reichsgaststätten und Nobelhotels. Die Zuordnung des Bauwerks in die entsprechende Gebäudeart ist auch an anderen Stellen nicht immer geglückt, z.B. erscheinen der Berliner Bahnhof Zoo und das Schiffshebewerk Rothensee in der Liste Beispiele Raststätten und Straßenmeistereien (S. 158). Die Partei- und Staatsbauten passen nicht so recht in eine Bautypologie, da diese Bezeichnung eine Träger- oder Bauherrenschaft ausdrückt und keine Gebäudeart, denn HJ-Heime, Ordensburgen oder Autobahnen sind ebenfalls Partei- oder Staatsbauten. Es sollten doch vermutlich diejenigen Bauwerke zusammengeführt werden, die gleichen Nutzungen dienen, unabhängig von ihrer Trägerschaft oder ihrem Bauherrn. Entsprechend wären die als Partei- und Staatsbauten aufgeführten Bauwerke sinnvoller den anderen Gruppen zuzuordnen: die Berliner Ausstellungshalle am Funkturm zu den Ausstellungsbauten, das Reichssportfeld / Olympiastadion zu den Freizeit- und Sporteinrichtungen usw.
Der Bautypologie schließt sich der umfangreichste Teil unter der
Überschrift Geographische Gliederung an, in dem 49 Städte aus dem
Gebiet der Bundesrepublik in alphabetischer Folge auf ca. 700 Seiten
dokumentiert sind. Es sind dies 27 Gauhauptstädte[3] und 22 weitere
Städte, neben den Neugründungen Wolfsburg und Salzgitter auch
Breslau.[4] Kriterium für die Aufnahme war das Vorhandensein von
vollständigen und originalen Quellen. Zu jeder Stadt wird eine
Einführung in die städtebauliche und sonstige besondere Situation
gegeben, der sich die Aufführung der einzelnen Bauwerke, hier
Objektliste genannt, anschließt. Die Objektbeschreibung entspricht den
Beispielen im Teil Bautypologie. Lt. Vorwort soll sich die Reihenfolge
der angeführten Objekte hier nach der Gliederung der Bautypologie
richten, also zuerst Partei- und Staatsbauten, Verwaltungs- u.
Dienstleistungsbauten usw., doch trifft das trifft vielfach nicht zu.
Im dritten Teil sind österreichische Städte unter der Überschrift
Ostmark auf ca. 200 Seiten dokumentiert. Im Gegensatz zur
vorhergehenden Geographischen Gliederung[5] sind hier die Orte nicht in
einem gemeinsamen Alphabet aufgeführt, sondern den sieben Reichsgauen
zugeordnet, nur die Städte Linz/Donau, Krems und Graz haben eigene
Kapitel. Innerhalb der einzelnen Reichsgaue ist die Reihenfolge der
betrachteten Städte unterschiedlich und ein Ordnungsprinzip nicht
immer erkennbar. So beginnt der Reichsgau Oberdonau mit Wels, gefolgt
von Lenzing, Braunau am Inn und Steyr. Im Kapitel Niederdonau folgen
die Städte im Namensalphabet, die mit S und T beginnenden Städtenamen
geraten jedoch durcheinander, und unter Waldviertel sind kleinere
Städte zusammengefaßt. Reichsgau Steiermark hat nur einen Wohnbau
überschriebenen Text mit einer Objektliste, die jedoch nicht nur
Wohnsiedlungen nachweist und auch Objekte aus Graz anführt, obwohl
Graz in einem eigenen Kapitel behandelt wird; es folgt noch ein
Abschnitt Burgenland.[6] Das Kapitel Innsbruck[7] ist unterteilt in Stadt
Innsbruck, Land Tirol und Vorarlberg jeweils mit eigenen
Objektlisten.
Die dokumentierten Bauwerke erscheinen teils nur in der Bautypologie,
teils nur in den geographisch gegliederten Teilen, teils in beiden. Es
wird nicht gegenseitig bzw. vom knapperen auf den jeweils
umfangreicheren Beitrag verwiesen. Beispiele: in der Typologie,
Abschnitt Kinobauten, erscheinen die Kölner Kinos Scala und Merli mit
13 bzw. 5 Zeilen Beschreibung (S. 195), in der Objektliste der Stadt
Köln wird von beiden nur die Adresse, nicht jedoch eine Beschreibung
angegeben (S. 592 - 593). Der Architekt des Merli ist einmal als
unbekannt, einmal mit Adam Lang notiert. Das Ufa-Wochenschautheater
und das Kino Deulich haben dagegen an beiden Stellen jeweils
identische Einträge. Die Nürnberger Reichsjugendherberge Luginsland
erscheint sowohl in der Bautypologie (S. 90 - 91) als auch unter
Nürnberg (S. 705) mit leicht unterschiedlicher Beschreibung, die
Berliner Kasernen sind dagegen nur in der Bautypologie, aber nicht in
der Berliner Objektliste nachgewiesen.
Bei manchen Bauwerken ist hinsichtlich des Erhaltungszustandes
"unbekannt" angegeben, gemeint ist wohl "nicht ermittelt", denn außer
bei Bauwerken, die in derzeitigen Krisengebieten liegen (Balkan),
hätte man innerhalb Deutschlands oder Österreichs den Zustand doch
feststellen (lassen) können. Sehr nützlich ist in allen Beispielen die
Angabe des heutigen Straßennamens, inkonsequent sind dagegen im Teil
Bautypologie die Angaben der übergeordneten Einheiten, nämlich teils
die Namen der heutigen Bundesländer, teils der Gaue, teils der
Landschaften.[8] Bei allen Einzelobjekten fehlen die Quellenangaben,
weder Literaturhinweise noch archivierende Institutionen wie Bauamt,
Planungsamt, Stadt-, Kreis- oder Staatsarchiv oder gar deren
Aktenbestände werden angeführt. In den Anmerkungen zum Text steht
gelegentlich ein solcher Hinweis, so daß man daraus Rückschlüsse
ziehen kann; wer jedoch gezielt Materialien zu einzelnen Bauwerken
sucht, findet hier nichts.
Neben einem Abkürzungsverzeichnis wird eine Auswahl an neuerer
Literatur angeboten. Diese 81 Titel umfassende Liste enthält viele
Titel, die bereits mehrfach in den Anmerkungen aufgeführt sind, z.B.
kommen von den 20 Literaturstellen aus der ersten Anmerkung (S. 14) 17
auch hier vor. Auch ältere Titel von 1935 und aus den 50er Jahren sind
noch dabei.
Gelangt man beim Durchblättern eines Buches an seine Register - hier
sind es zwei Personenregister Architekten und Bautechniker und
Bildende Künstler - so schaut man zuerst nach den Namen oder
Begriffen, die man kennt oder die man in dem Buch erwartet. Die
Person, die immer mit dem Bauen in der NS-Zeit assoziiert wird, dürfte
Albert Speer sein, sein Name aber fehlt im Register. Nun kommt Speer
in den einführenden Texten häufig vor, so daß man vermutet, es wurde
deshalb stillschweigend auf eine Eintragung verzichtet. Bei vielen
Bauwerken fungierte Speer jedoch als Architekt, und diese Nennungen
hätten auf jeden Fall in das Register gehört. Hitlers
Architekturzeichnungen sind abgebildet (S. 35, 37, 697), weshalb ihm
ebenfalls ein Registereintrag gebührte. Dagegen findet man in Auswahl
auch Baufirmen.[9] Es fehlen alle Verweisungen bei Doppelnamen oder
mehrteiligen Firmennamen, Vornamen wurden nicht immer ermittelt.[10] Ein
allgemeines Personenregister für Parteigenossen, Politiker,
Verwaltungsbeamte und andere Personen wäre aufschlußreich gewesen. Der
Verzicht auf ein Ortsregister ist ein gravierender Mangel. Die knapp
400 Bauwerke aus der Bautypologie und die ca. 650 österreichischen
Objekte sind unter dem Ortsnamen nicht gezielt nachzuschlagen, ebenso
wie weitere Städte, die in einem größeren Abschnitt behandelt werden
(Stadt X, S. 244 - 245). Auch der Städte-Teil hätte eines Registers
bedurft. Niemand würde im Anschluß an Salzgitter noch eine mit
Wolfenbüttel überschriebene Objektliste mit 17 Beispielen erwarten, in
der sich überdies die letzten 3 Beispiele auf Bauwerke in Oker,
Lengede und Bad Grund beziehen.
Angereichert ist die Dokumentation mit Schwarzweiß-Abbildungen,
meistens von der Größe einer halben oder drittel Seite. Sie stammen
alle aus den 30er oder 40er Jahren und illustrieren exemplarisch; die
Mehrzahl der beschriebenen Bauwerke ist nicht abgebildet.
Wissenschaftliche Bibliotheken werden diesen Band trotz der
vorbeschriebenen Unzulänglichkeiten als Ergänzung wohl anschaffen
müssen. Nerdinger führt zwar allein für Bayern ca. 4000 Objekte an,
Weihsmann für Deutschland und Österreich zusammen ca. 3100. Ein
Vergleich zeigt jedoch, daß auch Nerdinger nicht alles erfaßt hat: so
führt er z.B. für Bamberg 27 Objekte an, Weihsmann 24, davon sind 19
von beiden genannt. Die angegebenen Fakten stimmen weitgehend überein,
der Umfang der Beschreibungen für dieselben Objekte ist jedoch
unterschiedlich, wobei Nerdinger den einzelnen Objekten präzise
Quellenangaben hinzufügt. Weihsmann war nicht gut beraten, den drei
Hauptteilen unterschiedliche Strukturen zu geben und auch innerhalb
der Kapitel kein erkennbares und wiederkehrendes Ordnungsschema
anzuwenden. Einer Neuauflage sollte eine komplette Überarbeitung
vorangehen: durchgehende Anordnung entweder nach Bautypologie oder
nach Orten, straffende und ordnende Maßnahmen nicht nur hinsichtlich
der dokumentierten Bauwerke, Erweiterung der Register, Angabe
gedruckter und archivalischer Quellen für die Einzelobjekte und
schließlich auch Stimmigkeit im Formalen. Auf Grund der verunglückten
Präsentation wird mancher Hinweis unbeachtet und ungenutzt bleiben und
die Arbeit damit nicht so gewürdigt werden können, wie sie es
hinsichtlich der doch beachtlichen Menge von über 3000 aufgespürten
Bauwerken und zugehörigen Daten verdient hätte.
Angelika Weber
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