Die 2. Aufl. ist kein völlig neues Buch, aber stark überarbeitet und erweitert, wobei allerdings die Gliederung beibehalten wurde. Zu Beginn werden einige wichtige Begriffe geklärt, bevor im Hauptteil die im weitesten Sinne künstlerische Ausstattung behandelt wird, beginnend bei der Dekoration im Verhältnis zur ganzen Seite bis hin zu Einzelornamenten.
Innerhalb dieses Blocks wurde im Abschnitt Initiale eine schmerzliche Lücke geschlossen durch die Einfügung des neuen Kapitels Fleuronné. Diese Form des Initialschmucks war in der 1. Aufl. noch sehr allgemein als Einzelstichwort behandelt worden, was allerdings daran lag, daß die Forschung gerade erst angefangen hatte, diese von Kunsthistorikern eher für nebensächlich gehaltene Erscheinung genauer zu betrachten. In der Zwischenzeit ist im Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte der Artikel Fleuronné erschienen, verfaßt von einer Arbeitsgruppe unter Wolfgang Augustyn, der auch die Autorin (inzwischen promoviert) angehörte; dieser Artikel bildet die Grundlage für die zeichnerische Darstellung und Benennung der Einzelformen und ihrer Varianten. Die grundlegenden Formen sind damit erfaßt, und so ist zu hoffen, daß deren Terminologie im deutschsprachigen Raum in Zukunft einheitlich sein wird. Wer aber täglich damit umgeht, weiß auch, daß gerade diese Art des Buchschmucks den Zeichnern Gelegenheit zu Spielereien und unzähligen Abwandlungen bot, die im Rahmen dieses Büchleins natürlich nicht behandelt werden konnten. Jeder, der also Fleuronné genauer beschreiben will, wird sich in vielen Fällen auch weiterhin um den treffenden Ausdruck bemühen müssen. Der Nutzen der Beschäftigung mit dem Fleuronné zeigt sich allein schon darin, daß sich mit seiner Hilfe, ein Mindestniveau an zeichnerischer Qualität vorausgesetzt, Handschriften datieren und lokalisieren lassen. Neu ist auch das ausführliche Kapitel zum Flechtornament, das vor allem in der frühmittelalterlichen Buchmalerei eine bedeutende Rolle spielt.
Ein immer größeres Gewicht, vor allem bei unseren westlichen Nachbarn, nimmt in der Handschriftenbeschreibung die Kodikologie ein, also alles, was mit der äußeren Form, der Bindung und dem Material zu tun hat. Dieser nützliche Abschnitt wurde, wie auch der folgende über die Typen illustrierter Bücher, mit geringfügigen Erweiterungen aus der 1. Aufl. übernommen. Die Uneinheitlichkeit der kunsthistorischen Terminologie zeigt die unverändert übernommene kleine Auswahl aus einigen wichtigen Werken zur Buchmalerei.
Die meisten der berühmteren Handschriften haben im Lauf der Zeit einen
von der Fachwelt akzeptierten, mehr oder weniger sprechenden Namen
erhalten wie: Lorscher Evangeliar, Berthold-Missale oder Queen
Mary-Psalter. Leider ist es immer noch verbreiteter Brauch, in
Publikationen oder Vorträgen nur diese Begriffe ohne die korrekte
Signatur zu nennen, die allein eine Handschrift eindeutig
identifiziert und den schnellsten Zugriff auf weiterführende Literatur
ermöglicht. In dem ebenfalls neu hinzugekommenen Kapitel Hauptwerke,
das chronologisch und geographisch gegliedert nur einige der
bekanntesten Handschriften anführt (es ist müßig, über die
nichtgenannten zu streiten), werden dankenswerterweise auch die
vollständigen Signaturen angeführt. An dieser Stelle hätte man eigens
noch einmal hinweisen können auf eine ausführlichere Zusammenstellung
solcher Namen mit Signatur-Auflösung,[1] auch wenn diese Publikation im
Literaturverzeichnis aufgeführt ist. Handschriftensignaturen wirken
allerdings auf den Leser, abgesehen von der Ortsangabe und einer Zahl,
oft wie Geheimschriften; im vorangehenden Kapitel sind die
Signatursysteme einiger der großen Handschriftenbibliotheken erklärt
und die Abkürzungen aufgelöst.
Ein stark erweitertes, gut gegliedertes Literaturverzeichnis, das
neben den älteren Standardwerken vor allem nach 1970 erschienene
Literatur (ohne Zeitschriftenaufsätze) aufführt, und ein
Stichwortverzeichnis schließen das Werk ab. Das benutzerfreundliche
Konzept, den Stichworten auf einem breiten Rand die anschaulichen
Zeichnungen direkt zuzuordnen, ist hier noch einmal hervorzuheben.
Sicher sind noch einige Wünsche offen; so wünscht man sich z.B. zum
Stichwort Akanthus etwas differenziertere Ausführungen und
Zeichnungen, die vor allem auch das 15. Jh. stärker berücksichtigen;
über einige der vorgeschlagenen Termini wird man vielleicht streiten.
Andererseits kann keine Vollständigkeit erwartet werden, und einige
Ergänzungen können ja in einer späteren Auflage noch folgen; der
bisherige Erfolg läßt eine solche durchaus noch erwarten, denn es ist
jetzt schon ein kleines, erfreulicherweise auch erschwingliches
Standardwerk, das einen wichtigen Beitrag leistet zu Einheitlichkeit
und Klarheit der Terminologie eines Teilgebiets der Kunstgeschichte.
Peter Burkhart
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