Auch wenn sich Trilse-Finkelstein im Vorwort von der frühen, an
literaturwissenschaftlichen Kategorien orientierten
Theaterwissenschaft distanziert, so muß er doch eine Betonung
dramaturgischer Aspekte innerhalb des Lexikons zugeben, deren Grund er
in der Elaboriertheit dramaturgischer Methodologie zu sehen glaubt.
Warum ist es überhaupt nötig, den Kanon bekannter Dramenautoren in das
Theaterlexikon aufzunehmen, anstatt auf Schauspielführer oder
Autorenlexika zu verweisen und auf die Wirksamkeit bestimmter Stücke
im Rahmen von Epochen- oder Genre-Artikeln aufmerksam zu machen?
Allenfalls interessant sind hier Hinweise auf Dramenautoren, die den
Spielplan ihrer Zeit bestimmten, aber heute in Vergessenheit geraten
sind, oder auf solche Autoren, deren theatertheoretische Arbeiten auch
eine praktische Umsetzung erfuhren. Positiv ist die internationale
Ausrichtung anzumerken, die sich nicht auf die Berücksichtigung
(Mittel-) europäischer Zustände unter Beigabe einiger Artikel zum
US-amerikanischen sowie japanischen bzw. chinesischen Theater
beschränkt. Neben einer großen Zahl von Artikeln zum osteuropäischen
Theater finden sich auch solche zum afrikanischen,
lateinamerikanischen und asiatischen Theater, sowie zum Theater
kultureller Minderheiten, z.B. zum grönländischen und tibetanischen
Theater, zum arabisch-palästinensischen ebenso wie zum
jüdisch-israelischen Theater. Hierin unterscheidet sich das Lexikon
wohltuend von älteren einbändigen Theaterlexika. Auf das Fehlen
einiger Artikel zu europäischen Ländern wird im Vorwort hingewiesen
und Abhilfe versprochen. Bei der Auswahl der Personen wurden die
Kriterien 1. nationale Repräsentanz, 2. internationale Relevanz, 3.
Avantgardismus zugrunde gelegt, wobei die Kategorien durchaus dehnbar
sind, so daß sich auch Schauspieler, die eher dem weniger innovativen
Unterhaltungsgenre zuzurechnen sind, repräsentiert finden (z.B. Gustl
Bayrhammer u.a.).[3]
ter Die Sachartikel befinden sich in der Regel auf dem neuesten Stand
der Forschung und sind gut gegliedert, der Bedeutungsvielfalt und dem
Bedeutungswandel von Begriffen wird Rechnung getragen. Die
Personalartikel referieren über Name, Lebensdaten, wichtige Werke und
werten die Arbeit, zum Teil durch ausgewählte Zitate. Aus der Gruppe
der Tänzer / Choreographen sind leider wichtige Persönlichkeiten nicht
vertreten (z.B. Maurice Béjart u.a.); es ist zu hoffen, daß diese
Lücken bei einer Überarbeitung geschlossen werden.
Insgesamt bietet das Lexikon Theater international in einem Band mit
ca. 3800 Artikeln eine gut strukturierte - wenn auch zum Teil noch
ergänzungsbedürftige - Informationsübersicht für Laien und Fachleute,
die sich jedoch, ebenso wie das Lexikon von Sucher
(s.u. IFB99-1/4-268) auf die sog. Hochkultur beschränkt und populäre Formen der
Unterhaltung weitestgehend ignoriert.[4]
Peter Schmitt
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