Die Artikel folgen dem Strukturschema: 1. Name, 2. Lebensdaten, 3.
Beruf, 4. Lebensstationen und Werkübersicht, 5. Charakterisierung und
Wertung mit Hilfe ausgewählter Zitate,[1] 6. Literaturangaben
(Autobiographisches, Primär-, Sekundärliteratur).
Die Subjektivität der Auswahl zeigt sich v.a. in einer gewissen
Konzentration der Personenauswahl auf den süddeutschen Raum und
Hamburg und in der Tatsache, daß die Zahl der Einträge zu Dramaturgen,
Bühnenbildnern und Theaterschaffenden aus Grenzbereichen, wie z. B.
dem Tanztheater, relativ gering ausfällt. Auch der freien Szene, dem
Kabarett, dem Variété, dem Figurentheater und verwandten Formen wird
nur eine beschränkte Aufmerksamkeit zuteil. Es wäre zu wünschen, daß
diese Personengruppen bei einer Neuauflage mehr Berücksichtigung
finden würden. Die Aufnahme theaterhistorisch wichtiger
Persönlichkeiten erfolgte in so geringem Umfang sowie ohne
nachvollziehbare Auswahlkriterien und erscheint somit verzichtbar.
Unter Berücksichtigung der subjektiven Auswahl und der Konzentration
auf das staatlich subventionierte Sprechtheater schließt der erste
Band dieses Lexikons jedoch die Lücke, die andere Werke, wie das
Deutsche Theaterlexikon[2] oder das Theaterlexikon von Brauneck,[3] noch
offen lassen und stellt als Nachschlagewerk zu zeitgenössischen
Personen des Theaterlebens mit ca. 1500 Artikeln eine sinnvolle
Ergänzung zu bisher erschienenen Theaterlexika dar.
Die vorstehende Beurteilung bezog sich auf die 1. Aufl. 1995.[4] Die
während der Drucklegung des vorliegenden Heftes von IFB Anfang Oktober
eingegangene 2. Aufl. des weiterhin nicht gezählten ersten Bandes
erscheint in etwas größerem Format, doch kann man weder daraus, noch
aus dem knapp 20 Seiten geringeren Umfang Rückschlüsse auf den Inhalt
ziehen. Lt. Waschzettel sind 1650 Personen berücksichtigt. Die
Überprüfung einer Stichprobe aus dem Alphabetabschnitt A - Am ergab
folgendes: alle Artikel sind teils minimal ergänzt, (Fortschreibungen,
Literaturangaben) teils tiefgreifend überarbeitet und dabei länger
geworden (von letzterem profitieren primär noch "aktive" Personen);
zwei mittellange Artikel[5] sind neu hinzugekommen, dafür sechs kurze
weggefallen.[6] Das Urteil über die Subjektivität der Auswahl muß also
nicht geändert werden, und es wäre wohl empfehlenswert, wenn sich
Bearbeiter (M. Piekenbrock für die Autoren, C. Dössel für die anderen
Bereiche) und Herausgeber ganz auf "das deutschsprachige Schauspiel
nach 1945" beschränkt hätten, unter Einschluß derjenigen ausländischen
Autoren, Regisseure und Schauspieler, die in dieser Zeit im
deutschsprachigen Raum gespielt wurden bzw. dort gewirkt haben. [sh]
Der zweite, weitaus schmalere Band des Theaterlexikons referiert in
ca. 500 Artikeln, zum größten Teil von dem ausgewiesenen
Theaterwissenschaftler Theo Girshausen verfaßt, Epochen, Ensembles,
Figuren, Spielformen, Begriffe und Theorien. Er legt stärkeres Gewicht
auf Internationalität und Aspekte der Theatergeschichte, wobei auch
hier das Gegenwartstheater im Zentrum der Aufmerksamkeit steht.
Überblicksdarstellungen zu einzelnen Epochen sollen durch Artikel zu
konkreten Beispielen kontrastiert werden, um so auch Widersprüche und
Ausnahmen zu allgemeinen Tendenzen aufzudecken. Diesem Anspruch wird
der Band - durch das im überschaubaren Rahmen gehaltene
Verweisungssystem - weitestgehend gerecht, doch erstaunt teilweise die
Gewichtung der Artikel. So werden dem Artikel Balagan ganze vier
Spalten gewidmet, dem Überblicksartikel zum Barocktheater jedoch nur
zwei Spalten zugestanden. Hier wäre eine etwas ausführlichere
Darstellung wünschenswert. Manche Artikel vermißt man ganz, z.B.
Gastspiel, andere, vor allem zum Theater im 19. Jahrhundert, wurden
abgehandelt, ohne neuere Erkenntnisse der Forschung zu
berücksichtigen. So wird z.B. die Wandertruppe als reine Vorform des
stehenden Theaters geschildert, die zum Ende des 18. Jahrhunderts
aufhörte zu existieren, obwohl eine Reihe von Forschungsarbeiten der
letzten Jahre die große Rolle der Wandertruppen bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts festgestellt haben. Hier (wie bei zahlreichen anderen
Beispielen auch) besteht Nachholbedarf. Es ist zu hoffen, daß dies bei
einer Überarbeitung berücksichtigt werden wird.
Zu begrüßen sind die Theorieartikel, die sich nicht nur
schwerpunktmäßig mit Theatertheorien der klassischen Moderne befassen,
sondern auch theoretische Ansätze der neueren Zeit referieren. Auch
wenn hier der ein oder andere Artikel noch vermißt wird,[7] stellt dies
einen Vorteil gegenüber dem Theaterlexikon von Brauneck dar, das auf
Theorieartikel weitestgehend verzichtet.
Peter Schmitt
Zurück an den Bildanfang