Bibliotheksservice-Zentrum (BSZ) Baden-Württemberg // Südwestdeutscher Bibliotheksverbund
Rezension aus: Informationsmittel für Bibliotheken (IFB) 7(1999) 1/4
[ Bestand in K10plus ]
Geschichte des internationalen Films
- 99-1/4-292
-
Geschichte des internationalen Films / hrsg. von Geoffrey
Nowell-Smith. Aus dem Engl. von Hans-Michael Bock und
einem Team von Filmwissenschaftler/innen. - Stuttgart ;
Weimar : Metzler, 1998. - XIV, 791 S. : Ill. ; 25 cm.
- Einheitssacht.: The Oxford history of world cinema
<dt.>. - ISBN 3-476-01585-8 : DM 78.00
- [5166]
Zwei Jahre nach der englischen Originalausgabe wird die deutsche
Übersetzung der Oxford history of world cinema vorgelegt.[1] Sowohl
Original wie deutsche Übersetzung nennen sich zwar "Geschichte des
internationalen Films", liefern aber keine geschlossene
Gesamtdarstellung, sondern eine Vielzahl kürzerer,
historisch-geographisch orientierter Artikel, - sie sind in erster
Linie Nachschlagewerk. Sie widmen sich einem Gegenstand, den sie world
cinema bzw. internationaler Film (in schlechter Übersetzung im Buch
auch "Welt-Kino") nennen und der sich frei umschreiben ließe als "aus
US-eurozentrischer Sicht wahrgenommener Film aus aller Welt". Der
Herausgeber Nowell-Smith betont in seiner Einleitung die generelle
Internationalität des Phänomens Film, aber zugleich auch seine
kulturelle Vielfalt, die auch nur wahrzunehmen einem einzelnen
Verfasser heute nicht mehr möglich sei, geschweige denn, daß es ihm
gelingen könne, sie in einer Zusammenschau angemessen zu würdigen. So
sah er seine Aufgabe denn auch in der Organisation des Buches, eines
Sammelwerks von nahezu 100 Beiträgen aus den Händen von 60 Autoren aus
verschiedenen Ländern. In ihrer übergroßen Mehrzahl stammen die
Beiträge allerdings von amerikanischen Autoren englischer Sprache, und
da auch die nicht englischsprachigen Originalbeiträge die
Filmgeschichte Italiens, Skandinaviens, Rußlands resp. der
Sowjetunion, den Yiddischen Film in Europa und den
ostmitteleuropäischen Film betrafen, wird noch einmal die
US-europäische Perspektive des Blicks auf die Filmgeschichte deutlich.
Nowell-Smith gliedert sein Buch zunächst historisch in Abschnitte zum
Stummfilm, zum Tonfilm 1930 - 1960 und zum modernen Film ab 1960, eine
Einteilung, die sich deutlich an der US-amerikanischen und zugleich an
der europäischen Filmgeschichte orientiert. Die Abschnitte sind
ähnlich gegliedert, enthalten zunächst Beiträge zur Kennzeichnung des
filmhistorischen Zeitraums, danach zum US-amerikanischen Film und zu
wichtigen Tendenzen und Genres des Films, danach folgen Darstellungen
"nationaler Kinematographien" und Gesamteinschätzungen der
Filmentwicklung. Die Gliederung vermag auch in ihrer dreifachen
Wiederholung zu überzeugen und wird durch die Beiträge angemessen
ausgefüllt. Diese nehmen durchweg auf einzelne Filme und auf ihre
Regisseure Bezug, sie nehmen die Filme als Kunstwerke und als
Beispiele für künstlerische Entwicklungslinien ernst. Die englische
Originalausgabe glich diese werkhistorische Betonung dadurch aus, daß
in 127 special features Biographien von Schauspielern und Regisseuren
in den Text eingestreut wurden, die das cineastische Übergewicht
auflockerten. Leider sind diese Biographien nicht in die deutsche
Übersetzung übernommen worden, was der deutschen Ausgabe doch viel an
Unterhaltungswert nimmt und sie "kopflastiger" werden läßt, ein
Phänomen, das durch die oft hölzerne Übersetzung noch verstärkt wird.
Noch in einem weiteren, bezeichnenden Detail weicht die deutsche
Ausgabe vom Original ab: Während das Original einen gemeinsamen Index
für Namen, Filmtitel und (z.T. gestufte) Sach-Schlagwörter anbietet,
enthält die deutsche Ausgabe je ein Register für Personen und für
Filmtitel, das Sachregister ist leider entfallen. Andererseits wurde
die Bibliographie etwas den deutschen Verhältnissen angepaßt,
wenngleich ein Alphabet von 550 Aufsätzen und Büchern in jedem Fall
nur schwer aufzuarbeiten ist und im wesentlichen nur
Renommiercharakter trägt, - die beibehaltenen knappen
bibliographischen Hinweise am Schluß der Beiträge sind viel leichter
und ergiebiger zu nutzen. Das Buch ist aufwendig gestaltet, mit
schwerem Papier und reicher Bebilderung, die deutsche Ausgabe
ausschließlich mit schwarzweißen, sehr flau ausgefallenen Abbildungen,
während die englische Ausgabe mit acht farbigen Bildseiten wenigstens
noch daran erinnert, daß Farbe seit Beginn der Filmgeschichte ein
wichtiges künstlerisches Gestaltungsmittel des Films ist. In der
englischen wie in der deutschen Ausgabe fehlen leider biographische
Notizen zu den Autoren; die der deutschen Ausgabe beigefügte Zuordnung
der Übersetzer aus der CineGraph-Gruppe um Hans-Michael Bock zu den
von ihnen übersetzten Beiträgen wirken insofern etwas deplaciert.
Irritierend wirkt auch die einzige erkennbare Aktualisierung der
deutschen Ausgabe gegenüber dem Original, der Abdruck eines
Szenenbildes aus James Camerons Titanic von 1996/97, eines ansonsten
nicht erwähnten, weil zu jungen Films. Wie häufig in solchen Fällen
fällt es schwer, die deutsche Ausgabe des verdienstvollen Werks
einhellig zu loben: Zu loben ist grundsätzlich die Übertragung für
deutschsprachige Leser; die Art und Weise, wie dies geschehen ist,
gibt Anlaß zur Kritik, da Inhalt und Ausstattung das Original nicht
erreichen.
Wilbert Ubbens
- [1]
- The Oxford history of world cinema / ed. by Geoffrey Nowell-Smith.
- New York ; Oxford : Oxford University Press, 1996. - XII, 824 S.
- ISBN 0-19-811257-2 (hb.) : $ 55.00, œ 30.00. - 1997 erschien eine
Paperbackausg.: ISBN 0-19-874242-8 (pb.) : $ 27.50, œ 20.00.
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