Warum ist es gerade auf dem Sektor der Musikwissenschaft und der Komposition so schwierig für Frauen, sich einen Ruf und Namen zu schaffen? Gibt es nicht im Bereich der Interpretation unzählige anerkannte Interpretinnen? Welche zeitgenössische Frau wird eigentlich vom Komponieren abgehalten? Und liegt die Tatsache, daß "die traditionsreichsten Lehrstühle für Musikwissenschaft ... immer noch von Männern besetzt [sind]" (S. 9) - worin sie sich übrigens kaum von anderen Fächern unterscheiden - nicht womöglich auch daran, daß für eine Neubesetzung auf die Pensionierung der Inhaber gewartet werden muß?
Kann es nicht sein, daß das Thema "Frau und Musik" in Amerika nicht allein deshalb besser erforscht ist, weil "die amerikanische Musikgeschiche jünger, und das heißt auch: weniger durch männliche Heroen belastet ist als die europäische" (S. 11), sondern weil die Arbeit der Amerikaner im Bereich der Forschung sehr viel grundlegender und konzentrierter ist und auch Dinge bearbeitet werden, über die deutsche Forscher die Nase rümpfen würden? Die amerikanischen Musikwissenschaftler haben schließlich nicht nur "die Geschichte der europäischen Komponistinnen gründlicher aufgearbeitet als wir" (S. 11), sondern es ist überhaupt erstaunlich, mit welch spezifisch deutschen Themen - mit württembergischen Komponisten und Komponistinnen wie Josephine Lang beispielsweise - sie sich befassen.
Die 1. Ausgabe von Komponistinnen vom Mittelalter bis zur Gegenwart
erschien 1981 u.d.T. Komponistinnen aus 500 Jahren.[2] Möglicherweise
ist die Titeländerung allein durch den Verlagswechsel von Fischer zu
dtv bedingt. Der Band beginnt mit einem 'kulturgeschichtlichen
Überblick' Musikalisch schöpferische Frauen von der Antike bis zum
Mittelalter. Die weiteren (zumeist Sammel-) Kapitel sind "besonders
exemplarischen Lebensgeschichten" (S. 19) gewidmet. Kriterien für die
Aufnahme einer Person waren die Existenz von biographischem Material
sowie von zugänglichen Drucken und Autographen. In der vorliegenden
Ausgabe wurde das Verzeichnis der mehrfach zitierten Literatur durch
Anfügen eines zweiten Teils aktualisiert. Neu sind - abgesehen von
einer Revision des ganzen Bandes - auch die Kapitel über
Komponistinnen im Nationalsozialismus und über Komponistinnen und
Performance-Künstlerinnen der Avantgarde (S. 13 - 14). Die Auswahl der
Adressen von Komponistinnenverbänden und Frauenmusikarchiven nach
Ländern im Anhang mit 17 Institutionen in 15 Ländern wirkt eher
dürftig. Der Band wird durch ein Personenregister erschlossen.
Die Bibliographie Frau und Musik wirkt roh und unfertig. Sie erschien
1999, drei Jahre nach Ende ihrer Berichtszeit, die lt. Vorwort von
1970, von den Anfängen der Frauenmusikbewegung bis 1996 reicht und ist
damit nicht sonderlich aktuell. Die Monographien und Aufsätze sind bei
einer Unterteilung in sechs Sachgruppen (Nachschlagewerke,
Komponieren, Musikwissenschaft, Die Musikerin, Die Frau als
Kulturprodukt, Frauen als "Musen") mit Untergruppen stets nur einmal
nachgewiesen - "in der Regel aus Platzgründen" (S. 1), also ohne
Verweisungen oder Mehrfacheinträge in anderen Kapiteln. Für den Fall,
daß deutsche Übersetzungen existieren, sind nur diese aufgeführt. In
Sammelbänden erschienene Aufsätze sind "nur dann einzeln aufgelistet,
wenn von einem breiteren Interesse ausgegangen werden konnte" (S. 2).
Nicht nachgewiesen sind "Ton- und Bildtonträger, Tonträgerbeihefte,
Konzerteinführungen, Rezensionen, Beiträge aus Programmheften,
Vorlesungen, Lexikonartikel, Nekrologe, Geburtstags-Laudatien sowie
flüchtige Erwähnungen in der Literatur. Ausgespart wurden auch
Aufsätze über Sängerinnen aus der Zeitschrift Opernwelt, die die
vorliegende Bibliographie unverhältnismäßig aufgebläht hätten" (S.
1).
Die bibliographischen Angaben zu den 3778 durchnumerierten Titeln sind
knapp, ungewöhnlich in der Abfolge der Angaben und angeblich "aus
Platzgründen " (S. 2) nicht annotiert: Personennamen (Verf., Hrsg.),
Erscheinungsjahr, Titel; bei Monographien Erscheinungsort und -verlag,
keine Seitenangabe; bei Aufsätzen aus Sammelwerken und Periodika ggf.
deren Herausgeber, der Titel des Aufsatzes, Jahrgang, Heftnummer und
Seitenzahl.
Die Bibliographie erschließt ein Register der AutorInnen und
HerausgeberInnen, das nur die ersten Autoren und Herausgeber
berücksichtigt; dazu kommt ein Register der Künstlerinnen. Eine Liste
der ausgewerteten Periodika wäre sinnvoll gewesen. Trotz ihrer Mängel
gehört die Bibliographie in jedes Bibliotheksregal.
Martina Rommel
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