Anlage: Auf einen Überblick über die knapp 230 Artikel folgt der Hauptteil, der durch ein mit 12 Seiten sehr knappes Register erschlossen wird; das Verzeichnis der 119 Mitarbeiter enthält Angaben zu ihrer Qualifikation.
Vergleichende Gegenüberstellung
1. Inhalt
Die beiden ersten Lexika zeichnen sich durch eine ausgewogene Konzeption und demzufolge ein klares Profil aus.
HWBIP behandelt die Sachthemen, die allgemein zu den Internationalen Beziehungen gerechnet werden. Weitere Schwerpunkte sind die gängigsten internationalen Organisationen, die wichtigsten aktuellen Konflikte, wie z.B. der Balkankonflikt und die "Politikfelder" der Internationalen Beziehungen, wie z.B. Außenpolitik oder Energiepolitik. Dennoch gibt es einige Lücken: Ein Übersichtsartikel über die Internationalen Beziehungen fehlt, von den wichtigeren Internationalen Organisationen fehlt die UNESCO (was keineswegs einen Kavaliersdelikt darstellt, da es hier massive Konflikte bis hin zum Austritt einiger Länder, wie z.B. der USA gab) und von den Politikfeldern wird ausgerechnet die in letzter Zeit sehr dynamische internationale Umweltpolitik nicht behandelt. Abgesehen hiervon macht das Werk aber dennoch insgesamt einen abgerundeten Eindruck.
IB behandelt ebenfalls die grundlegenden Sachthemen, wobei die
Themenbereiche internationale Organisationen und Sicherheitspolitik
stärker als beim HWBIP berücksichtigt wurden. So findet man hier auch
"regionale" internationale Organisationen wie z.B. die afrikanische
OAU oder die südostasiatische ASEAN. Als weiterer Schwerpunkt wird die
Außenpolitik einzelner Länder (China, Deutschland, USA u.a.) und
Regionen (z.B. Osteuropa und Lateinamerika) behandelt. Artikel über
Konflikte und Politikfelder sind ebenfalls in großer Zahl enthalten.
Daß Artikel für die EG bzw. EU fehlen erklärt sich damit, daß diese in
einem separaten Bd. 5 des Lexikons der Politik behandelt werden.[1] Der
Artikel Europa in der internationalen Politik behandelt vor allem die
Geschichte der europäischen Integration, bietet aber nur einen
unzureichenden Ersatz.
Beide Lexika haben als Mitarbeiter Spezialisten auf ihrem Feld
gewonnen, so daß manche Artikel in beiden vom selben Autor stammen.
Beide Lexika bemühen sich auch, aktuelle Themen zu behandeln, was sich
am Wechsel bzw. am Hinzunehmen neuer Artikel ablesen läßt: für die
internationalen Organisationen versteht sich das vielleicht von
selbst, während andere neue Artikel (z.B. Globalisierung im HWBIP)
Ausfluß der aktuellen Diskussionen darstellen.
Das LIP behandelt neben den gängigen Themen der internationalen
Beziehungen schwerpunktmäßig die internationalen Organisationen,
Themen der Friedens- und Konfliktforschung und die Außenpolitik der
Bundesrepublik. Andere Länder und Regionen fehlen dagegen. Ebenso
fehlen Übersichtsartikel zu zentralen Themen: internationale
Beziehungen, Globalisierung, internationale Kommunikation, Europäische
Integration, Kriegsursachen, Konfliktbewältigung, UNESCO. Man sieht,
daß selbst in Schwerpunktbereichen des LIP Lücken bestehen.
Zugegebenermaßen können manche der fehlenden Themen über das Register
gefunden werden, da sie sich teilweise hinter ungebräuchlich
formulierten Stichwörtern verbergen. So gibt es z.B. keinen Artikel
zur Internationalen Finanzpolitik, sondern nur einen zu Internationale
Finanzmärkte, was jedoch nicht ganz dasselbe ist; Ähnliches gilt für
die internationale Währungspolitik. Insgesamt gibt es aber zu viele
Sachverhalte, die gar nicht behandelt werden.
Neben diesen Lücken fällt ein gewisses Ungleichgewicht bei der Auswahl
der Artikel auf: So fehlt etwa ein Überblicksartikel über die Theorie
der internationalen Beziehungen, während Einzelbereiche behandelt
werden. Der EU sind lediglich fünf Artikel (EG, EU, EVG, Maastrichter
Vertrag und AKP-Abkommen) gewidmet und auch die Darstellung der
Vereinten Nationen in elf Artikeln ist unausgewogen und berücksichtigt
kaum die gewiß nicht unwichtigen Sonderorganisationen oder die
Abrüstungspolitik. Gerade im Hinblick auf die Zielgruppe der Studenten
wäre eine umfassendere, stimmigere Behandlung dieser beiden
internationalen Organisationen angebracht. Es ließen sich zu diesem
Sachverhalt unschwer weitere Beispiele anführen.
Das LIP ist weder in der Artikelauswahl noch in seinen
Schwerpunktsetzungen klar konzipiert. Es sollte daher im
Auskunftsdienst nur zusätzlich verwendet werden und ebenso sollte man
Studenten raten, es nur ergänzend zu den beiden anderen Lexika zu
verwenden.
2. Artikel: Aufbau und Ausrichtung
Die Artikel des HWBIP sind gut strukturiert, enthalten teilweise
graphische Darstellungen und Tabellen, Verweisungen auf andere Artikel
und weiterführende Literatur. Sie variieren stark nach dem Umfang: der
Autor der beiden Theorie-Artikel benötigt allein 70 S., so daß man
eher von Abhandlungen sprechen muß denn von einer knappen Einführung,
wie sie der Herausgeber in der Einleitung charakterisiert. Die Artikel
sind inhaltlich ausgewogen, historische Zusammenhänge sind gleichfalls
dargestellt und die Absicht des Herausgebers, "Sach- und
Problembewußtsein sowie Kritik" zu wecken, findet sich bestätigt, wozu
sich das Lexikon eines eher wissenschaftlich-seriösen Stils bedient.
Die Artikel von IB sind optisch schlecht strukturiert und enthalten
weder graphische Darstellungen noch Tabellen. Auf Verweisungen im Text
wurde zugunsten der Aufführung verwandter Stichwörter am Schluß der
Artikel verzichtet. Jeder schließt mit relativ umfangreichen,
wenngleich unstrukturierten Literaturangaben, unter denen
englischsprachige Titel dominieren, was in dieser Disziplin dem
Standard entspricht. Die Artikel sind verständlich geschrieben und
enthalten in angemessenem Umfang statistische Zahlen und historische
Daten.
Beim LIP sind die Artikel gut strukturiert, aber nur selten mit
graphischen Darstellungen, Chronologien oder statistischen Tabellen
versehen. Bei den internationalen Organisationen findet man des
öfteren Organigramme, was sehr hilfreich ist. Die fünf bis zehn
Literaturhinweise auf deutsch- und englischsprachige Monographien und
Aufsätze berücksichtigen auch die "Klassiker". Dieses begrüßenswerte
Verfahren zeigt, daß der im Vorwort angemeldete Anspruch, vor allem
eine Einführung für Studierende zu bieten, durchweg realisiert wurde.
Die meisten Artikel des LIP sind knapp und verständlich formuliert.
Viele Themen werden historisch hergeleitet, was bei
politikwissenschaftlichen Veröffentlichungen sonst nicht üblich ist.
Ein kleinerer Teil der Artikel enttäuscht jedoch durch
unverständliches Politologen-Deutsch. Hierzu ein Beispiel: Im Vorwort
wird der Artikel des Friedensforschers Johan Galtung gepriesen, der
den von ihm geprägten Begriff der "strukturellen Gewalt" neu
konzipiert habe. Der Artikel ist hoch theoretisch und verzichtet zudem
auf die Darstellung des bisherigen Konzepts. Auf dieses aber wird von
anderen Artikeln verwiesen, da das Konzept in der bisherigen
Diskussion einen zentralen Stellenwert hatte. Folglich gehen diese
Verweisungen teilweise ins Leere.
Die Länge der Artikel in den drei Lexika läßt sich nur schwer
vergleichen, da das Druckbild stark variiert. Im HWBIP umfaßt ein
Artikel durchschnittlich zehn Seiten, im IB sechs und im LIP etwas
mehr als zwei Seiten. Für eine kurze Orientierung wäre demnach das LIP
am besten geeignet, wenn es nicht so lückenhaft wäre. Da die Artikel
der beiden anderen Lexika jedoch oft mit einer Definition beginnen,
eignen sie sich gleichfalls für gezielte Recherchen.
3. Erschließung
Die allen drei Lexika gemeinsame alphabetische Ordnung erleichtert die
punktuelle Recherche. Für eine themenbezogene Lektüre bieten HWBIP und
IB Übersichten an, in denen die Artikel einer Grobsystematik
zugeordnet sind: beim HWBIP sind es fünf, bei IB elf Themenbereiche,
was völlig ausreicht, um einen Zusammenhang herzustellen. Diese
thematischen Übersichten stellen eine nicht zu unterschätzende Hilfe
für Studenten dar, die sich die Themen zusammenhängend erarbeiten
möchten. Das LIP verzichtet darauf, was seinem Anspruch Abbruch tut,
auch als Einführung für Studenten zu dienen.
Verweisungen bieten alle drei Lexika; beim HWBIP und LIP findet man
sie im Text, was optimal ist, IB faßt sie - weniger praktisch - am
Ende der Artikel zusammen. Höchst ärgerlich ist beim LIP, daß
Herausgeber und Lektorat versäumt haben, die Stimmigkeit der
Verweisungen zu überprüfen, zielen manche doch auf nicht vorhandene
Artikel, andere auf Artikel, die dann offensichtlich nochmals
umbenannt wurden und somit an anderer Stelle zu finden sind.
Zur generellen Bedeutung von Registern zum Nachweis von Sachverhalten,
die, ohne eigene Eintragung, nur innerhalb anderer Artikel behandelt
werden, kommt im Falle der Politikwissenschaft im allgemeinen und der
internationalen Beziehungen im besonderen die Notwendigkeit, für den
bequemen Nachweis der in der Fachterminologie besonders zahlreich
verwendeten Komposita (z.B. der mit international beginnenden) und
Akronyme zu sorgen, was sich durch Verweisungen innerhalb der
Sachregister erreichen läßt. Diese an sich selbstverständliche Hilfe
bieten leider nicht alle drei Lexika in gleichem Maße: Das
Sachregister von IB enthält zwar viele Verweisungen, aber nur von den
Akronymen auf die aufgelöste Form, unter der der Artikel angesetzt
wird, nicht dagegen aber von den alternativen Ansetzungsmöglichkeiten
von Komposita. Das Sachregister des HWBIP enthält gar keine
Verweisungen, jenes des LIP vereinzelt und ohne Konzept. Damit hat man
Mühe, bestimmte Begriffe zu finden. Woher soll man wissen, daß die
Nicht-Regierungsorganisationen im einen Lexikon unter NGOs
(nongovernmental organizations) angesetzt sind, im anderen aber unter
INGOs (international nongovernmental organizations)? Die fehlenden
oder ungenügenden Verweisungen in den Sachregistern aller drei Lexika
(insbesondere aber beim LIP) beeinträchtigen deren Gebrauchswert.
4. Fazit
Wollte man wie bei Autotests ein ranking vornehmen, so sähe dieses für
die drei Lexika folgendermaßen aus:
Testsieger ist eindeutig das HWBIP, das nur wenige Lücken aufweist,
vom Inhalt her ausgewogen und am preisgünstigsten ist. Zudem ist es im
Moment aktuell und universell für Auskunftszwecke und Studium
verwendbar. Es sollte daher von Bibliotheken mit entsprechendem
Bestandsprofil mehrfach angeschafft und möglichst an verschiedenen
Stellen für differenzierte Nutzung vorgesehen werden. In
wissenschaftlichen Bibliotheken kommen hier Ausleih-, Lesesaal- und
Lehrbuchsammlungsexemplare in Betracht. In öffentlichen Bibliotheken
sollte zumindest ein Exemplar im Informationsbestand stehen. Ältere
Auflagen sollten nicht ausgesondert werden, da sie z.T. eine andere
Ausrichtung besitzen.
An zweiter Stelle kommt das weniger aktuelle und teurere IB. Es wird
in den meisten Bibliotheken bereits im Rahmen des Gesamtwerks
beschafft worden sein. Da sich auch dieses Lexikon sowohl für die
Auskunft als auch für die Studienlektüre eignet, sollte neben
vorhandenen Präsenzexemplaren auch ein ausleihbares Exemplar vorhanden
sein. Der relativ hohe Preis ist wegen der hochwertigen Ausstattung
angemessen.[2]
Das Schlußlicht bildet das LIP. Unausgewogener Inhalt und schlechte
Erschließung lassen es als zweite Wahl erscheinen. Positiv zu
vermerken ist die große Zahl der Artikel, die sehr gut ausgewählten
Literaturangaben und die gute Ausstattung (Fadenheftung). Eine
Beschaffung des LIP ist - wegen der Aktualität und auch wegen der
besonderen inhaltlichen Ausrichtung - als Ergänzung zu den beiden
anderen zwei Lexika gleichwohl sinnvoll.
Jürgen Plieninger
Zurück an den Bildanfang