Die Herausgeber sind beide angesehene Vertreter der EU-Forschung, sie
haben andere Standardwerke zum Thema bzw. zu benachbarten Themen
herausgegeben.[1] Ebenso sind die Beiträger bekannt, deren Liste sich
über weite Strecken durchaus als eine der besten Vertreter des Faches
verwenden ließe.
Der Band enthält 67 Artikel von durchschnittlich vier Seiten Umfang,
die jeweils am Ende durch spärliche Verweisungen und knappe, aber
ausreichende Literaturhinweise ergänzt werden. Im Anhang findet sich
eine Chronik der EU und ein Autorenverzeichnis. Im Register sind
Begriffe mit eigenem Artikel durch Kursivsatz markiert; es enthält
auch Verweisungen, so etwa von Akronymen auf die Vollform.
Die Artikel behandeln: die internationalen Organisationen Europas wie
z.B. OECD, OSZE, WEU, Nordischer Rat; die Institutionen der EU; die
Politikfelder der EU; Gruppen und Verbände, die innerhalb der EU tätig
sind sowie Übersichtsartikel über die theoretischen Ansätze zur
Erklärung der europäischen Integration. Die Institutionen und die
Politikfelder stellen eindeutig den Schwerpunkt des Nachschlagewerks
dar. Als Lücke fällt vor allem das Europarecht auf, das weder als
Stichwort vorkommt noch im Register aufgeführt wird.[2]
Bei der Lektüre fällt sofort das hohe Niveau der Artikel auf. Die
Texte sind eindeutig politikwissenschaftlich geprägt und
offensichtlich für Politikwissenschaftler geschrieben, die sich - z.B.
während des Grundstudiums - mit der EU beschäftigen müssen. Die
Diktion ist zwar durchweg verständlich, so daß die Texte auch für
informierte Laien interessant wären, die primäre Funktion des Lexikons
ist jedoch nicht die politische Bildung, sondern die Fachinformation.
Den Wert des Buches schmälert die Tatsache, daß es leider bereits
etwas veraltet ist, da es vor dem Amsterdamer Vertrag (1997)
erschienen ist. Auch wenn Änderungen dieses Vertrages nicht so
gravierend waren wie jene des Maastrichter Vertrages von 1992 bleibt
bei der Benutzung ein Gefühl der Unsicherheit.
Äußerst beklagenswert ist die schlechte Erschließung des Werkes, die
seinen Gebrauchswert drastisch mindert. Allein schon die Konzeption,
längere Artikel aufzunehmen und eine Suche nach Einzelbegriffen über
das Register zu ermöglichen, erforderte eine sorgfältigere
Erschließung. Mehr noch erfordert das Themengebiet EU einen höheren
Aufwand als anderswo, da sich hier Institutionen öfter umbenennen, in
der öffentlichen Diskussion aber sowohl der neue als auch der alte
Name verwendet werden. Wenn man vermeiden will, daß Leser einen Teil
der Informationen nicht finden, weil ihnen die Nomenklatur und
Terminologie nicht bis ins einzelne geläufig ist, muß man einen
entsprechenden Aufwand treiben. Dies ist hier nicht geschehen. Dafür
zwei Beispiele: Im Artikel über den Ministerrat wird schon im ersten
Satz darauf hingewiesen, daß der offizielle Name anders lautet: "Der
Rat, zur genauen Kennzeichnung allgemein Ministerrat genannt, ist die
bedeutendste Institution im Entscheidungsgefüge der EG." Andere
Nachschlagewerke sind genauer und nennen den Rat denn auch mit seinem
vollen Namen Rat der Europäischen Union. Im Sachregister fehlt der
Begriff Rat der EU als Verweisung. Ebenso wird die Europäische
Kommission, wie sie seit Dezember 1993 im offiziellen Sprachgebrauch
genannt wird, unter dem Stichwort Kommission abgehandelt, ohne
Verweisung von Europäische Kommission im Sachregister. Insgesamt ist
das Register zu knapp, da mitunter wichtige Begriffe, die im Text
vorkommen, nicht enthalten sind. Die Verweisungen innerhalb des
Registers sind ausreichend.
Fazit: Die schlechte Erschließung, ein bereits etwas veralteter Inhalt
und Lücken wie z.B. beim Europarecht lassen dieses Lexikon eher als
zweite Wahl erscheinen, auch wenn es in der Lehre bei
Einführungsveranstaltungen gute Dienste tut. An und für sich wären von
einer Zweitauflage eines Standardwerkes,[3] von erfahrenen Herausgebern
und einem ebensolchen Verlag mehr zu erwarten gewesen. Die
Bibliotheken, die das Lexikon der Politik als Gesamtwerk beschafft
haben, sollten es im Auskunftsdienst neben aktuelleren Titeln
berücksichtigen.
Jürgen Plieninger
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