Das erste, was ins Gewicht fällt, ist die Aufmachung des Buches: Großes Format, fachgerechter Einband, Fadenheftung, aber auch ein schöner, lesbarer Satz, - da fällt einem doch auf, wie sehr der Standard auch bei manchen anderen guten Nachschlagewerken gesunken ist, die in Taschenbuchqualität ediert werden und so von selbst dokumentieren, daß mittlerweile auch sie Verbrauchsware geworden sind.
Auch die "Ausstattung" an Mitarbeitern ist gut, da neben dem Herausgeber rund hundert Mitarbeiter beteiligt sind. Der Herausgeber ist Niederländer, unter den Beiträgern sind neben Europäern in nennenswertem Umfang auch Autoren aus den USA beteiligt. Längere Artikel sind gezeichnet, die kürzeren meist nicht.
Leider gibt es keine Übersicht über die Artikel, so daß Aussagen über
deren Anzahl (schätzungsweise mehr als tausend) und Gewichtung nur
schwer zu machen sind. Der Anhang enthält eine Liste von Akronymen mit
der Auflösung, eine Chronologie der europäischen Integration,
chronologische und tabellarische Übersichten über Institutionen,
Parteien, Ereignisse, Vertragsänderungen[1] und ein Sach- und
Personenregister.
Folgende Themenbereiche werden behandelt: Die Institutionen der EU,
die Politikfelder der EU, Berichte und Papiere, die in der Geschichte
der EU eine Rolle gespielt haben, ebenso Verträge, Konventionen und
Chartas, theoretische Ansätze zur Interpretation der EU, dann Gruppen,
Parteien, Verbände, die innerhalb der EU agieren, geographische
Begriffe wie Mitglieds- und andere Länder und (Welt-)Regionen,
internationale Organisationen und die Biographien von Politikern, die
für die EU bedeutsam waren. Die Artikel sind gewichtet, sie sind meist
knapp gehalten, aber bei Politikfeldern und bei zentralen
Institutionen sowie der Integrationstheorie können sie entsprechend
der Bedeutung des Themas auch mehrere Seiten umfassen. Längere Artikel
enthalten auch Literaturangaben. Somit läßt die Auswahl der Artikel
kaum Wünsche offen. Aber auch die Artikel sind zufriedenstellend,
fassen sie doch jeweils zutreffend den Stand der Forschung zusammen.
Gerade bei den Institutionen herrscht sowohl in der Auswahl der
Stichwörter als auch im Text große Klarheit. Daß die Qualität der
Artikel bei der großen Anzahl von Beiträgern schwankt, ist natürlich.
Lediglich Internetadressen vermißt man.
Die Erschließung des Werkes ist gleichfalls durchweg
zufriedenstellend. Verweisungen findet man sowohl am Schluß der
Artikel als auch als selbständige Stichwörter, hier vor allem
Verweisungen von Akronymen oder auch Kurzformen von Verträgen oder
Konventionen auf den benutzten Begriff. Das Sach- und Personenregister
ist umfangreich und differenziert.
Die Encyclopedia of the European Union ist das umfangreichste,
differenzierteste und auch präziseste Nachschlagewerk zur EU. Ebenso
ist es aktuell, die Veränderungen des Vertrags von Amsterdam sind
bereits eingearbeitet. Die Gewichtung der Themen ist hervorragend, da
die Artikel in der Länge dem Stellenwert des Themas sehr gut
entsprechen. Der Nachteil, daß man sich in der englischen Sprache und
Nomenklatur zurechtfinden muß, wird durch den Vorteil ausgeglichen,
daß man die Dinge nicht nur durch die deutsche Brille präsentiert
bekommt. Der Preis ist zwar im Vergleich ungewöhnlich hoch, aber er
ist nach Inhalt und Ausstattung dennoch gerechtfertigt. Größere
Bibliotheken sollten eine Beschaffung in Erwägung ziehen.
Jürgen Plieninger
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