Zur Konzeption des Nationalatlas gehört der Anspruch, einen möglichst großen Kreis von Nutzern zu erreichen. Schlagwörter wie Bildungsfunktion, Planungs- und Entscheidungsfunktion, Forschungsfunktion oder Repräsentanzfunktion stecken den Rahmen sehr weit und beinhalten eine hohe Kompromißbereitschaft bei der Themenauswahl und ihrer Darstellung. So ist wohl auch der ungewöhnliche Maßstab 1:2,75 Mio zu erklären, der sowohl eine größtenteils noch gut lesbare Darstellung der Karteninhalte als auch ein für einen Kartenband noch einigermaßen handliches Format erlaubt. Für Planungszwecke wäre sicherlich ein größerer Maßstab und die Herausgabe von Einzelblättern geeigneter, doch weist die Entwicklung auch bei anderen Nationalatlanten den Weg zu komprimierten Karten in gebundener Form (z.B. Frankreich). Ausgleichend kommt hier die elektronische Version zum Zuge, die als CD-ROM dem Pilotband beigefügt ist. Für die Zukunft wird hier der Einsatz des Internet in Erwägung gezogen, um eine Verknüpfung mit der jeweils aktuellen Datengrundlage zu gewährleisten, womit ein modernes, multimediales Angebot bereitgehalten würde, das den neuen Ansprüchen nach sofortiger Information und interaktiver Nutzung mit neuen Kombinationen der Daten entgegenkäme. Um den internationalen Markt bedienen zu können, wird zudem eine englischsprachige Ausgabe vorbereitet.
Die folgende Rezension basiert auf der Pilotausgabe, und die Rezension war bereits im Druck, als im November 1999 (mit Erscheinungsjahr 2000) Bd. 1 der endgültigen Ausgabe einging, die parallel als Buch und CD-ROM erscheint und zwölf Themenbände und ein Register umfassen wird: 1. Gesellschaft und Staat; 2. Relief, Boden und Wasser; 3. Klima, Pflanzen- und Tierwelt; 4. Bevölkerung; 5. Dörfer und Städte; 6. Bildung und Kultur; 7. Arbeit und Lebensstandard; 8. Unternehmen und Märkte; 9. Verkehr und Kommunikation; 10. Freizeit und Tourismus; 11. Deutschland in der Welt; 12. Deutschland im Überblick. Die inhaltliche Gestaltung der Themen übernehmen Bandkoordinatoren, die einzelne Fragestellungen an Fachautoren vergeben. Dazu steht ihnen meist eine Doppelseite zur Verfügung, auf denen der zu bearbeitende Aspekt dargeboten werden kann. Der gestalterische Rahmen sieht neben der Karte auch die Einbindung von Text und Graphik bzw. Bild im Verhältnis von 2 : 1 : 1 vor. Neben dem Fließtext sind Fachtermini in farblich unterlegten Kästen hervorgehoben. Damit ist natürlich keine erschöpfende Behandlung möglich und es zeigt sich hier auch wieder die hohe Kompromißbereitschaft auf Grund der vorgegebenen Funktionen. Notwendigerweise bleiben die Texte sehr oberflächlich, Analysen sind nicht möglich.
Grundlage der Daten für den Nationalatlas bilden in erster Linie die statistischen Erhebungen auf Kreisebene. Abweichungen hiervon können auftreten, was verständlicherweise auf die noch sehr unterschiedliche Quellenlage für Ost und West zurückzuführen ist. Um die Lesbarkeit der Karten zu erhalten, ist für die geographische Orientierung eine auflegbare Folie mit den Kreisbezeichnungen dienlich. Leider kommt die Folie wegen zahlreicher Abweichungen vom Grundmaßstab im vorliegenden Pilotband nur selten zum Einsatz. In der Regel erfolgt die thematische Bearbeitung für das gesamte Bundesgebiet, bei einzelnen speziellen Fragestellungen können aber räumlich begrenzte Erscheinungen in die Themenbände integriert werden. Im Pilotband kann hierzu exemplarisch das Thema Stein- und Braunkohlenbergbau (S. 66 - 69) betrachtet werden. Die einzelnen Abbaugebiete sowie die unterschiedlichen Vorgehensweisen des Abbaus werden vorzüglich in zusätzlichen Karten behandelt. Auch die beigefügten Graphiken zeigen eine gekonnte kartographische Umsetzung, was auch für die Farbauswahl gilt. Leider kann das nicht von allen im Pilotband demonstrierten Themen gesagt werden. Fehlende Skalen für Säulendiagramme werden lediglich durch Minimum, Mittelwert und Maximum unzureichend ersetzt (S. 55 oder S. 57); die Zuordnung der Kreissektorendiagramme zu "großen Städten" kann auf S. 45 nur erraten werden. Bei dieser kartographischen Darstellungsform werden überhaupt schnell die durch den Maßstab erzwungenen Grenzen der Lesbarkeit besonders in den Ballungsräumen deutlich (S. 75).
Die Möglichkeiten der elektronischen Version (neben dem Zoomen und dem Ausblenden von Basisdaten) erschöpfen sich momentan in der Veränderung der farblichen Darstellung einzelner Karteninhalte sowie der Klassenbildung. Hier zeigt der Atlas aber didaktische Qualitäten, die im Unterricht sicherlich interessante Vergleiche ermöglichen und dem Schüler die Subjektivität statistischer Daten vor Augen führen können. Die Menüsteuerung ist recht einfach und die kartographisch umgesetzten Daten lassen sich auch tabellarisch aufrufen. In der Möglichkeit, die benutzten Quellen, die in der Druckausgabe lediglich im anhängenden Literatur- und Quellenverzeichnis aufgeführt sind, gleich mitzuliefern, liegt nicht zuletzt ein bedeutender Vorteil der elektronischen Version. Ein Anklicken des Kreisnamens in der Tabelle bewirkt außerdem seine Hervorhebung in der Karte.
Insgesamt ist der Pilotband sicherlich der richtige Weg, ein
derartiges Projekt auf seine Verwendung hin testen zu lassen, um
rechtzeitig Anregungen 'von außen' aufnehmen zu können,[2] die einer
hohen Qualität des Endproduktes zugute kommen werden.[3]
Wolfgang Crom
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