Der Große historische Weltatlas des Bayerischen Schulbuch-Verlags umfaßt mit seinen vier Teilbänden einen großen Erscheinungszeitraum. Bd. 1. Vorgeschichte und Altertum kam zuerst 1953 heraus, der dem Mittelalter gewidmete Bd. 2 erschien 1970, der 3. Bd. für die Neuzeit stammt von 1957. Alle liegen derzeit in den oben aufgeführten späteren Auflagen vor. 1995 kam als Nachtrag noch ein schmaler 28 Karten- und 12 Registerseiten umfassender Bd. 4 (Neueste Zeit) heraus. Insgesamt steht damit ein Werk von 282 Karten- und 129 Registerseiten zur Verfügung. Und damit nicht genug. Parallel zu diesem Kartenwerk entstanden vier umfangreiche Erläuterungsbände im Oktavformat mit insgesamt 1505 Seiten, die von zahlreichen renommierten Fachgelehrten erarbeitet wurden. Der Kommentarband für die Neuzeit ist mit 649 S. der weitaus umfangreichste. In diesen Textbänden sind auch weiterführende Literaturangaben zu finden. Die Kartenbände enthalten neben dem Inhaltsverzeichnis und einer sehr praktischen systematischen Inhaltsübersicht ausführliche Benutzungshinweise, ein geographisches Suchregister sowie einige Spezialregister. Die Karten des Westermann-Verlags und des Bayerischen Schulbuchverlags ähneln in ihrer Konzeption einander stark, doch geht der Große historische Weltatlas, was Inhalt und Umfang betrifft, weit darüber hinaus. Der Platz auf den einzelnen Seiten des letzteren ist so weit mit großen Karten und Nebenkarten gefüllt, daß der Atlas etwas "vollgestopft" wirkt und die kleinen Neben- und Detailkarten gute Augen bei den Lesern voraussetzen. Bedingt durch den sehr langen Erscheinungszeitraum ergibt sich zwangsläufig auch ein unterschiedlicher Bearbeitungsstand. So sind die Hauptbearbeiter des ersten Bandes, die renommierten Gelehrten Vladimir Milojcic (1918 - 1978) und Hermann Bengtson (1909 - 1989), längst verstorben. Ähnliches gilt auch für die Kartenbände für das Mittelalter und die Neuzeit. Da die Kommentarbände für diese beiden Perioden erst später erschienen, sind sie auf etwas aktuellerem Forschungsstand (Mittelalter 1982, 2. Aufl. 1995; Neuzeit 1984, 2. Aufl. 1993). Am aktuellsten ist der Band über die Neueste Zeit (1995), dessen Kartenumfang in etwa dem des Westermann entspricht. Die Benutzung ist angesichts der vier Teilbände und vier Erläuterungsbände etwas umständlich, zumal es kein gemeinsames Register gibt. Auch der Preis ist, sofern man sich alle Bände anschaffen möchte, recht hoch - besonders der der Kartenbände. Die frühere spinatgrüne Einbandfarbe ist einem freundlichen Blau gewichen. Insgesamt handelt es sich bei diesem Werk um einen Atlas auf höchstem wissenschaftlichen Niveau, der seinen Platz in der gymnasialen Oberstufe, mehr noch aber in der universitären Lehre und Forschung hat.
Der Putzger erschien erstmals 1877 als Historischer Schulatlas des sächsischen Lehrers und Schulrats Friedrich Wilhelm Putzger (1849 - 1913) und ist somit der älteste der heute in Gebrauch befindlichen Geschichtsatlanten, fürwahr ein Klassiker für unzählige Lehrer- und Schülergenerationen. Anläßlich des hundertjährigen Jubiläums 1977 erfolgte eine Überarbeitung; seither kamen zwei aktualisierte Neuauflagen heraus. Im Vergleich zur 100. Auflage (1979) ist der Umfang in etwa gleich geblieben; das Register wurde jetzt in die Seitenzählung einbezogen. Dieses sehr nützliche Register ist insofern bemerkenswert, als es über die übliche Funktion eines Ortsregisters hinaus wichtige historische Grunddaten zu den einzelnen Eintragungen enthält und dadurch sehr umfangreich ausfällt. Der Blick in das Mitarbeiter-, Autoren- und Beraterverzeichnis ergibt gegenüber den früheren Auflagen nur wenig neue Namen; etliche sind bereits verstorben, was aber nicht vermerkt ist. Erfreulich ist, daß bei den einzelnen Karten der Name des jeweiligen Bearbeiters genannt wird. Eine Aufklärung über den Forschungsstand fehlt jedoch auch hier. Für die 102. Auflage wurde das bisherige Kartenmaterial übernommen, lediglich der Zeitraum von 1945 - 1990/91 erfuhr eine Neubearbeitung, so daß aktuelle Veränderungen wie z.B. der Zerfall Jugoslawiens berücksichtigt werden konnten. Im Inhaltsverzeichnis entfiel die bisher zusätzlich vorhandene systematische Übersicht der Karten. Das nützliche Verzeichnis Die unabhängigen Staaten der Erde ist vom Anhang jetzt in den Eingangsteil gerückt. Leider wurde in der Neuausgabe auf die Angabe der Einwohnerzahl und der Fläche verzichtet. Hinzugekommen ist aber ein Verzeichnis überseeischer Territorien der ehemaligen Kolonialmächte und eine kurze Übersicht über die politischen Zusammenschlüsse. Bedingt durch das für Schülertaschen günstige handliche Format (26,5 x 18 cm) fallen die Karten sehr klein aus, besonders, wenn mehrere Karten auf einer Seite abgebildet sind, und erfordern demzufolge bei den Lesern gute Augen oder ein Vergrößerungsglas. Ähnlich wie beim Westermann und dem Großen historischen Weltatlas ähneln die Karten beim Putzger den aus dem Schulunterricht bekannten Geschichtswandkarten.
Mit dem Titel Völker, Staaten und Kulturen von John Haywood u.a. hat
der Westermann-Verlag in deutscher Übersetzung einen zweiten, ganz
andersartig konzipierten Geschichtsatlas vorgelegt, dabei jedoch
unglücklicherweise ohne jeglichen Hinweis den Titel eines
gleichnamigen Verlagsproduktes von Hans Erich Stier und Ekkehard Aner
wiederverwendet, das 1956 erstmals erschienen war[2] und zahlreiche
Auflagen erlebte (bei diesem Atlas handelt es sich um eine in vielen
Schulen verbreitete, etwas verkürzte Version des großen Westermann).
Anders als bei den oben besprochenen Werken handelt es sich bei diesem
von John Haywood konzipierten Atlas of world history weniger um ein
Nachschlagewerk als um ein zum Lesen anregendes Handbuch, denn es
enthält einen durchlaufenden Text, der durch Karten, einige
Abbildungen und Zeittafeln ergänzt wird. Es richtet sich
offensichtlich an einen breiteren Leserkreis, der sich nicht nur aus
Fachgelehrten und Geschichtsstudenten zusammensetzt, und steht in der
Tradition des für den anglo-amerikanischen Raum typischen historischen
Sachbuchs, das zu verfassen auch renommierte Fachgelehrte nicht für
unter ihrer Würde halten und deren Mithilfe sich Haywood hier bedient
hat. Angesichts des intendierten breiteren Leserkreises sind die
einzelnen Karten bei weitem nicht so mit Informationen vollgestopft
wie bei den deutschen Geschichts- und Schulatlanten. Durch ihre etwas
weniger schulmäßige Art der Darstellung wecken sie weit mehr das
Interesse des Lesers und erfreuen das Auge. Ärgerlich ist jedoch, das
an manchen Stellen der Lesetext in die Karten hineinragt. Außerdem hat
der Westermann-Verlag leider eine sehr ausdrucksschwache Drucktype für
den Lesetext gewählt.
Insgesamt gliedert Haywood den Stoff in sechs große Kapitel, deren
Numerierung dann mit einer jeweils eigenen Seitenzählung (immer von
einer Doppelseite ausgehend) den Band durchziehen. Auf diese
Numerierung verweist auch das Register, so daß man nach den einzelnen
Begriffen etwas länger suchen muß. Eine durchgehende Seitenzählung
fehlt. Da auf weltgeschichtliche Zusammenhänge Wert gelegt wird, kommt
in diesem Werk die außereuropäische Geschichte gut zur Geltung. Neue
wissenschaftliche Erkenntnissse darf man von einem solchen Leseatlas
natürlich nicht erwarten.
Die erste Ausgabe des von dem bekannten Oxforder Neuzeithistoriker
Geoffrey Barraclough herausgegebenen Times atlas of world history
erschien bereits 1978, die deutsche Übersetzung ein Jahr später.
Seither wurden, wie es in der Einführung heißt, mehr als eine Million
Exemplare in 13 Sprachen verkauft, ein Erfolgstitel also. Nach dem
Tode Barracloughs wurde die 4. Aufl. von Norman Stone (ebenfalls
Oxford), die vorliegende 5. Aufl. von Geoffrey Parker (Yale
University) in Zusammenarbeit mit zahlreichen angloamerikanischen
Fachhistorikern betreut. Für dieses Werk gilt grundsätzlich, was oben
über den Atlas von John Haywood ausgeführt wurde. Allerdings ist
Knaurs neuer historischer Weltatlas etwas übersichtlicher und noch
lesefreundlicher gestaltet. Der Informationsgehalt ist außerdem viel
höher. Nach einer knappen chronologischen, nach Erdteilen geordneten
Übersicht, die bis 1993 reicht, folgen Lesekapitel zu einzelnen
Geschichtsepochen und Themen, die durch z.T. großformatige, z.T.
kleine Karten sowie einige Abbildungen angereichert werden. Sodann
folgt eine kleine Bibliographie, mit weiteren historischen Atlanten
und allgemeinen Darstellungen sowie ein etwa 40 Seiten umfassendes
Glossar, das einige Daten zu historischen Persönlichkeiten und
Ereignissen enthält, dessen Angaben aber sehr knapp gehalten sind. Den
Abschluß bildet ein geographisches Register. Insgesamt wird wie bei
Haywood eine weltgeschichtliche Betrachtungsweise gewählt. Der
Lesetext ist sachlich und informativ gehalten, an einigen Stellen
wirkt er etwas distanziert und auch trivial, so heißt es auf S. 178 zu
Beginn des Kapitels über Reformation und Gegenreformation etwa: "Bei
den europäischen Völkern der frühen Neuzeit nahm die Religion einen
zentralen Platz ein." Im Vergleich zu den Vorauflagen wurden die
Karten z.T. überarbeitet, besonders die das 20. Jahrhundert
betreffenden, auch die Texte wurden teilweise neu geschrieben. Die
Daten sind auf dem Stand von 1992/93.
Der Vergleich der fünf Geschichtsatlanten ist nicht ganz einfach, da
sie für unterschiedliche Leserkreise konzipiert und bearbeitet worden
sind. Es wäre zu aufwendig und auch nicht sinnvoll, Karte für Karte
miteinander zu vergleichen und festzustellen, daß das eine Werk zu
einer bestimmten Fragestellung eine Karte mehr enthält, die das andere
nicht bietet. Was den Benutzerkreis von wissenschaftlichen
Bibliotheken betrifft, so sind der Westermann und der Große
historische Weltatlas des Bayerischen Schulbuchverlages trotz der
genannten Mängel unverzichtbar. Sie ergänzen einander seit langem
gegenseitig. Von der Handhabung ist der Westermann etwas einfacher und
auch preisgünstiger und daher auch für öffentliche Bibliotheken und
Schulen praktisch. Rein für den Schulbetrieb ist der Putzger gedacht,
aber auch zum schnellen Nachschlagen in Privathaushalten und kleineren
Bibliothek geeignet. Die Werke von Haywood und Barraclough/Parker
richten sich an ein breites Lesepublikum sowohl in öffentlichen als
auch in wissenschaftlichen Bibliotheken, wobei Barraclough/Parker
wegen des größeren Informationsgehalts der Vorzug zu geben ist.
Hinsichtlich der graphischen Präsentation des Stoffes könnten sich
allerdings die rein deutschen Produkte, die ja schon auf eine recht
lange Tradition zurückblicken und etwas "altbacken" wirken, von den
Atlanten aus dem anglo-amerikanischen Bereich "eine Scheibe
abschneiden".
Wilfried Lagler
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