Der Internet-Führer wendet sich an eine Klientel, die erfahrungsgemäß
nur schwer für die EDV zu gewinnen ist,[2] worauf auch im Vorwort (S.
XII) hingewiesen wird. Der Vorteil des Internet für text- und
quellenorientierte Fächer wie Alte Geschichte und Klassische
Philologie liegt auf der Hand: Lateinische oder griechische Texte, die
(vom heimischen) PC eingesehen werden können, stellen eine erhebliche
Arbeitserleichterung dar, wenn es gerade darum geht, ein Zitat zu
verifizieren oder eine Textstelle nachzulesen. Der Gang in die
Bibliothek entfällt. Fürs Zitieren können die Online-Texte übernommen,
bzw. bearbeitet werden. Auch sonst kann man sich irgendwie über fast
alles, was die Antike betrifft informieren.
Die Auswahl - Vollständigkeit wurde und konnte auch nicht angestrebt
werden - der Internet-Adressen orientierte sich an
"Qualitätsmerkmalen" sowie "fachrelevanten Gesichtspunkten" (S. XI),
die nicht näher erläutert werden, obwohl doch hier das eigentliche
Problem liegt. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit man eine
Web-Seite weiterempfehlen oder anbieten kann, sei es in einem
Internet-Führer oder sei es, daß eine Bibliothek ein Link dorthin
legt. Meines Wissens gibt es einen derartigen Qualitätskatalog noch
nicht. Die systematische Adressen-Sammlung im zweiten Teil des Bandes
ist teils annotiert, teils nicht. Stichproben ergaben, daß die meisten
Adressen noch aktuell sind. Die Annotationen sind eher dürftig und
geben bisweilen nur das wieder, was auch schon auf den Web-Seiten zu
lesen ist: "Eine wirklich riesige Bibliographie zum Thema
Homosexualität ..." (S. 78, zu 6.12), "Hier findet man alles zu den
Olympischen Spielen von der Antike bis heute ..." (S. 77, zu 6.10),
"Unter den mehr als 3000 Links dieser Adresse finden sich sowohl für
Althistoriker, aber auch für Archäologen interessanten Seiten" (S. 72,
zu 6.2). Nicht nur einen Wissenschaftler würde noch interessieren,
wieviele Titel eine Bibliographie enthält, seit wann es sie gibt, von
wem sie erstellt wurde, wann sie aktualisiert wird, wie das Verhältnis
zu anderen Spezialbibliographien ist, etc. Bei den Volltextsammlung
ist es wichtig, zu erfahren, von wem sie wie erstellt wurden und auf
welcher Textgrundlage etc. Natürlich ist es sehr arbeitsaufwendig,
solche Informationen zu eruieren und auch noch in einem kritischen
Kommentar zu verarbeiten, der über die obigen Zitate hinausgeht. Aber
erst dann ist ein Internet-Führer sinnvoll. Über thematischen Seiten
bzw. über ein bis zwei einschlägige Seiten zu den
Altertumswissenschaften, kann heute jeder einige Dutzend Links
zusammentragen. Die Kunst liegt in der kritischen Bewertung. Armselig
wird es, wenn über mehrere Seiten Internet-Adressen einfach
hintereinander aufgeführt werden, ohne irgendeine Annotation (z.B. S.
78 - 81 und S. 107 - 110). Halbseitige Screenshots und die teilwiese
sehr ausführliche, jedoch wiederum unkommentierte Wiedergabe von
Inhaltsverzeichnissen der Web-Seiten erwecken den Eindruck, als habe
man Material benötigt, um die Seiten zu füllen.
Die Formulierungen auf S. 119 - 120 (Kapitel 13. Bibliotheken und
Verlage) zeigen, daß den Verfassern[3] das System der
Sondersammelgebietsbibliotheken fremd geblieben ist. Über die
unterschiedlichen Formen der Dokumentbeschaffung, die das Internet
bietet, wissen sie gleichfalls nichts zu sagen.
Fazit: Wissenschaftliche Bibliotheken brauchen dieses Buch nicht. Es
gehört zu der Sorte, die sich an alle Interessierten wendet: "Ein
nützlicher Leitfaden für jeden, der im Cyberspace zum Thema Altertum
unterwegs ist" (Hinterer Umschlag).
Kai Heßling
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