Ein gutes Jahr blieb den beiden Bearbeitern für die Erstellung der
Familiengeschichtlichen Bibliographie 1945/60. Im wesentlichen
orientiert sich die Aufmachung an den bisher erschienenen Bänden, doch
wurden Systematik, Titelauswahl und die Form der Titelaufnahmen
heutigen Vorstellungen angepaßt. Randgebiete der Genealogie wurden
berücksichtigt, die Heraldik und Sphragistik wurden jedoch bewußt
weggelassen, da für diese Hilfswissenschaften[7] eigene Bibliographien
(desselben Bearbeiters) existieren.[8] Das weite Feld der
Personengeschichte mußte ebenfalls weggelassen werden, um die
Titelfülle nicht ins Unermeßliche ansteigen zu lassen. Eine
Goethe-Biographie wurde also nicht verzeichnet, hingegen ein Aufsatz
über Goethes Ahnen. Auch die Literatur zu Archiven und ihren Beständen
wurde sehr restriktiv ausgewählt. Nur Artikel, die sich explizit mit
genealogischen Quellen auseinandersetzten, wurden berücksichtigt.
Anhand von bestehenden bibliographischen Arbeiten und anhand der
Vereinsbibliothek des Herold in Berlin-Dahlem haben sich die
Bearbeiter einen Überblick über das vorhandene Schriftgut verschafft
und ein Arbeitsprogramm aufgestellt. Folgende drei
Beschaffungskategorien sollten für die Neuerstellung zum Zuge kommen:
- Kataloge und Bestandsverzeichnisse,
- Landesgeschichtliche und kunsthistorische Bibliographien,
- alle deutschen genealogischen Zeitschriften und Serien.
Damit ist ein durchaus passabler Rahmen gesetzt worden. Man entnimmt
hingegen der Einleitung, daß alleine von Berlin aus gearbeitet
wurde.[9]
Der hier zu besprechende Band der Familiengeschichtlichen
Bibliographie ist in drei Teile gegliedert: A. Bibliographien und
Periodika (S. 13 - 20 = 3 %), B. Quellen (S. 21 - 99 = 32 %), C.
Darstellungen (S. 99 - 254 = 65 %). Die Quellen ihrerseits sind, nebst
Bestandsverzeichnissen (I), in staatliche (II), kirchliche (III) und
private (IV) Quellen unterteilt, jeweils mit weiteren Sparten in
wechselnder Zahl. Die Darstellungen gliedern sich in neun Gruppen,
erwähnt seien die beiden dominanten Gruppen C IV 3 Familiengeschichten
(64 S.) und C IV 4 Vor- bzw. Nachfahren bekannter Persönlichkeiten (27
S.), die umfangmäßig zusammen mehr als die Hälfte der Darstellungen
beanspruchen. Das Gesamtregister (S. 256 - 284, 3-spaltig) scheint
sorgfältig erstellt zu sein und hilft ganz unterschiedliche Aufgaben
zu lösen. Verfasser, Familiennamen, Orts- und Gebietsnamen, aber auch
Sachbegriffe sind darin in einem Alphabet enthalten. Unnötig und
irritierend sind die Strichpunkte hinter jedem der über 5000
Einträge.
Befremdend wirkt die - von der Norm abweichende -
Alphabetisierungsregel bezogen auf Umlaute, vor allem in den oben
genannten Abschnitten C IV 3 und C IV 4. So findet man Mäderer nach
Mayser, König nach Kortum oder Rübel nach Rutetzki. Es scheint fast
so, als ob der Computer die Steuerung ohne sprachliche Kenntnisse
beeinflußt hat, zumal im Gesamtregister diese Unstimmigkeit nicht
vorhanden ist! Eine Empfehlung für die Fortsetzung dieser wichtigen
Bibliographie wäre, die Titel zu numerieren und dann erwartungsgemäß
das Gesamtregister darauf zu beziehen. Es erwies sich als mühsam, z.B.
Bayern innerhalb einer ganzen Buchseite zu suchen und dabei immer noch
die Ungewißheit einer Zweitnennung zu riskieren. Mehrere andere
genealogische Bibliographien hätten als Beispiele dienen können.
Mit Sicherheit sind die am meisten konsultierten Abschnitte die beiden
alphabetisch nach Familiennamen geordneten Kapitel mit Beiträgen zu
Einzelnen Familien (C IV 3) und Vor- bzw. Nachfahren bekannter
Persönlichkeiten (C IV 4). Eine solche Zweiteilung in der genannten
Art macht jedoch wenig Sinn. Die behauptete Einschränkung "bekannter"
ist zu streichen, denn eine Durchsicht der Titel erweckt den Eindruck,
daß nicht streng danach verfahren wurde.[10] Richtig wäre, wenn im ersten
Abschnitt C IV 3 Beiträge zu einzelnen Geschlechtern und in C IV 4 nur
solche Beiträge genannt werden, die über mehrere Geschlechter
berichten (also Ahnen- und Nachkommenlisten mit Berücksichtigung der
Töchter-Nachkommen).[11]
Diese beiden Abschnitte sind es dann auch, die Fragen nach der so
gerne angestrebten "Vollständigkeit" wach werden lassen. Das kann
anhand der vorliegenden Bibliographie selbst nicht beantwortet werden,
denn Erfassungsrichtlinien werden nur ganz summarisch in der knappen
Einleitung (S. 7 - 11) genannt. Da Berlin zum Nabel der deutschen
Genealogie erklärt wurde, erschien es angebracht, diese Vorgabe zu
prüfen, und tatsächlich, es war einfacher als erhofft, die
Unzulänglichkeit dieser Vorgehensweise zu untermauern. Der Grundsatz,
daß nur in der Literatur nachgewiesene und selbst eingesehene Arbeiten
Eingang in die Bibliographie fanden, wird eher als eine
Arbeitserleichterung für die Bearbeiter empfunden und nicht als
Qualitätssteigerung der durchgeführten Recherchen. Durch diesen
Grundsatz wird der Benutzer der Bibliographie entmündigt. Man könnte
doch ihm überlassen, eine Arbeit zu finden. Groß ist die Zahl der sog.
"grauen Literatur", welche viele "Selbstverleger" als Typoskripte oft
nur in lokalen Bibliotheken und Archiven verteilt oder nur ihrer
bevorzugten Vereinsbibliothek geschenkt haben. Da wären
Standortangaben gelegentlich doch ganz nützlich. Lassen sich solche
nicht eruieren, so wäre ein entsprechender Vermerk ("Zitat aus ...
Jahrg., Jahr, Nummer, Seite") angebracht und würde von Interessierten
sicher gebührend registriert werden.
Im Bibliothekskatalog der Schweizerischen Gesellschaft für
Familienforschung[12] sind für die Berichtsperiode 1945/60 20 deutsche
Familiengeschichten nachgewiesen; Henning und Jochums nennen jedoch
lediglich 14 davon, obwohl die Erscheinungsorte der fehlenden Arbeiten
durchwegs in Deutschland sind.[13] Damit soll gezeigt werden, daß eine
Auflistung der eingesehenen Bibliothekskataloge und anderen
Hilfsmittel notwendig gewesen wäre, denn eine so verspätete
Bibliographie kann doch - oh welche Freude - auf viele
bibliographische Arbeiten zurückgreifen, die zwischen 1960 und 1998
erschienen sind und damit außerhalb ihrer Berichtsperiode liegen! Aber
auch Vergleiche mit genealogischen Zeitschriften lassen Lücken
offenbar werden, sei es, daß Buchbesprechungen, Verlagsanzeigen oder
Verlags-Bibliographien[14] unbeachtet blieben. Nicht besser bestellt
sieht es nach einem Vergleich mit dem Bibliothekskatalog der
Stuttgarter Genealogen[15] aus. Von 14 ausgezählten Familiengeschichten
gelangten nur sechs in die Bibliographie und acht Arbeiten fehlen,
trotz ordentlicher Nennung des Druckortes, des Verlages und samt
Jahresangabe.[16]
Monographien und Artikel aus genealogischen Zeitschriften zitiert die
Familienkundliche Bibliographie vollständig, was anhand von
Stichproben ersichtlich wurde.[17] Ein Opfer der "Aufnahmebedingungen"
sind Vortragsbesprechungen geworden,[18] auch solche, die wegen ihrer
Ausführlichkeit durchaus hätten aufgenommen werden können. Eher
schlecht beachtet wurden "Bücherschauen"; hier hätte noch ein
respektabler Fundus für fehlende Familiengeschichten vorgelegen.[19] Auch
falsch interpretierte Artikel kommen vor, so als ob nur der Titel,
nicht aber der Inhalt berücksichtigt worden wäre. So entspricht der
Eintrag unter dem Familiennamen Bader (S. 120): "Sammelt Daten zu den
Kirchenbuchkriegsverlusten" nur einem geringeren Teil seines
Inhaltes.[20] Zwei weitere Sparten genealogischer Arbeiten werden in der
vorliegenden Bibliographie weitgehend vermißt. Da wären einmal
Firmengeschichten. Es gäbe mehrere Beispiele dafür, daß ein
Familienunternehmen eng mit der Geschichte einer Familie verbunden ist
und daß sich Traditionen über mehrere Generationen halten konnten.[21]
Zum anderen fehlen jegliche Hinweise auf Genealogien von deutschen
Familien, deren Arbeiten im Ausland erschienen sind. Die Frage
ausländischer Publikationen wird natürlich für die Fortsetzung der
Bibliographie von großer Bedeutung sein, setzte doch um 1970 in
Amerika eine rege Buchproduktion von Familiengeschichten ein, und in
vielen finden sich Daten deutscher Auswandererfamilien und ihrer
Vorfahren.
Eher betrübliche Fehler findet man im Kapitel B II 3 (Liste von
Geistlichen, Pfarrerverzeichnisse). Es scheint, als ob hier die
Begriffe "Pfarrerbuch" und "Pfarrbuch" vermischt und auch falsch
übertragen worden sind.[22] Die gleichwertigen Begriffe "Kirchenbuch",
"Pfarrmatrikel" oder eben "Pfarrbuch" sind Verzeichnisse kirchlicher
Handlungen (Taufen, Trauungen, Todesfälle),[23] während
Pfarrerverzeichnisse eben Listen der Pfarrer und ihre Biographien
beinhalten.[24] Einige Artikel sind somit falsch eingeordnet und einige
Titel erfordern zwingend eine Nachprüfung. Diese Verwechslung findet
dann auch im Register ihren Niederschlag: "Pfarrmatrikel siehe
Pfarrer" und "Pfarrbücher siehe Pfarrer"! Die Käufer der
Bibliographie, die dafür doch einen respektablen Preis bezahlten,[25]
dürfen bestimmt eine diesbezügliche Korrektur erwarten.
Zum Schluß noch einige Bemerkungen zum Äußeren. Das Buch wird als
Broschur ausgeliefert und hat der Durchsicht für diese Besprechung
nicht ganz standgehalten, Knicke in Längsrichtung erschienen schon
bald. Die Fadenheftung allerdings kann für einen festen Einband
bestens verwendet werden. Ausgerechnet für das Register wurden zwei
unterschiedliche Papierarten verwendet, so daß schnelles Blättern
"über den Daumen" zu unkontrollierten Sprüngen führt. Damit steht der
Preis von 174.00 DM nicht im Verhältnis zur erbrachten Leistung.
Trotzdem, die vorliegende Bibliographie muß dankbar entgegengenommen
werden, und eine gute Akzeptanz und eine weite Verbreitung in
zahlreichen Bibliotheken und Forschungsstätten ist absolut
erstrebenswert. Erfreuen wir uns an all den Nachweisen, die darin
aufgeführt sind, und ärgern wir uns nicht an den kleinen
Versäumnissen, die den Menschen bei seinen Arbeiten stets begleiten
werden. Bestehen bleibt aber der Grundsatz: Keinen Nachweis gefunden
zu haben, heißt noch lange nicht, daß dazu keine Literatur besteht!
Mario von Moos
Zurück an den Bildanfang