Erfreulicherweise ist der ideologische Ballast und die Terminologie
aus der DDR-Zeit,[1] sowie die weltanschauliche Fixierung auf die
biologischen Wissenschaften der UdSSR[2] der ersten beiden Auflagen
endlich verschwunden.
Die Teile I - III, welche die Biologiegeschichte der Vorzeit bis zum
19. Jahrhundert chronologisch beschreiben - wobei die Biologie der
Renaissance wieder reichlich kurz gerät - sind im Seitenumfang etwa
gleich geblieben, die Teile IV (Biologie des 20. Jahrhunderts) und V
(Kurzbiographien) hingegen haben ihren Umfang fast verdoppelt. In Teil
IV geht, bedingt durch die Entwicklung der einzelnen biologischen
Disziplinen, die chronologische in eine mehr ideengeschichtliche
Gliederung über. Dieser Teil berücksichtigt jetzt auch angemessen die
Sinnes- und Neurophysiologie. Die Geschichte der Molekular- und
Mikrobiologie, etwa 40 Seiten, ist wohl noch zu jung und in ihrer
Entwicklung zu stürmisch, als daß sie jetzt schon ausreichend
gewürdigt werden kann. Der Artikel über die Anfänge der Gentechnologie
ist mit knapp 3 Seiten überhaupt nicht aussagekräftig.
Leider erfährt man so gut wie nichts über die sogenannte
"nationalsozialistische Biologie" mit ihren Problemfeldern Euthanasie
und Rassenhygiene, was man wirklich als gewaltiges Desiderat in einer
Geschichte der Biologie bezeichnen muß.
Die Kurzbiographien[3] wurde von etwa 1.000 auf 1.650 Einträge
erweitert, die Zahl der Portraits wuchs auf 238. Die Lesbarkeit der
Kurzartikel wird durch die vielen Abkürzungen[4] beeinträchtigt, aber
vermutlich ist das Platzproblem bei diesem Umfang nicht anders zu
lösen. Daß aus Platzersparnis auch die exakten Lebensdaten geopfert
wurden ist schade, denn genannt sind lediglich das Geburts- und
Sterbejahr. Sicher ist die Auswahl der Wissenschaftler nicht einfach
zu treffen, aber wenn man schon die bekannten deutschen Zoologen
Wolfgang Tischler und Adolf Remane verzeichnet, darf man Wulf Emmo
Ankel und Joachim Illies eigentlich nicht vergessen. Auch Winnifred
Cutler oder Sidney Altman und Manfred Eigen werden vermißt.[5] Die
Angabe der Jahreszahl bei einigen Portraits ist hilfreich und wäre
durchgehend bei allen zu wünschen.
Gewisse Inkonsequenzen, die auch seitens der Herausgeber eingeräumt
werden, ergeben sich bei den Literaturangaben, die man an drei
verschiedenen Stellen findet: 1. in einem sehr umfangreichen
Verzeichnis der historiographischen Literatur[6] zu den einzelnen
Kapiteln, was sinnvoll ist, 2. in den Kurzbiographien, die
Originalquellen verzeichnen, wobei durchaus kritisch erscheint, welche
Werke des betreffenden Wissenschaftlers hier aufgenommen wurden[7] und
3. in einem Literaturverzeichnis (mit Nachtrag), das die biographische
Literatur aufführt. Die Angaben selbst erscheinen vollständig.
Das Sachregister ist umfangreich und erschließt gut die großen
Bereiche. Zum Nachschlagen einzelner Sachverhalte ist es jedoch nicht
geeignet. Will man beispielsweise die Entdeckung der Maul- und
Klauenseuche nachlesen, findet man diesen Begriff nicht als
Registereintrag; fündig wird man unter dem Stichwort Viren oder über
die Forscher Friedrich Loeffler und Paul Frosch. Beim Personenregister
ist zu bemängeln, daß die Abkürzung der Vornamen willkürlich und wenig
sinnvoll geschieht, eine einheitliche Form wäre hier zu wünschen.[8]
Diese Geschichte der Biologie ist ein gewichtiges Werk (und das nicht
nur im physischen Sinne), dessen Lesbarkeit und Verständlichkeit unter
der Fülle der Einzelinformationen allerdings etwas leidet. Sicher gibt
es im deutschsprachigen Bereich zur Zeit keine vergleichbare
Darstellung, sieht man einmal von dem auf 5 Bände konzipierten Werk
von Änne Bäumer[9] ab, das aber noch nicht vollständig erschienen ist.
Joachim Ringleb
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