Medienserver
des BSZ
Baden-Württemberg
Abstract zu

Rechtsethik
von
Dietmar von der Pfordten

Stand: 19.07.2001
Bibliographische Beschreibung
Stellungnahmen, Beanstandungen usw. bitte mit Bezug auf die Dokumente-ID-Nr. 9123112 per E-Mail depot@bsz-bw.de an das Bibliotheksservice-Zentrum Baden-Württemberg Konstanz.


Welches Recht ist gerecht? – lautet die Grundfrage der Rechtsethik. Die Antwort dieses Buches: Recht, das sich als politische Entscheidung in letzter Instanz auf die Interessen der jeweils betroffenen Menschen stützt. Diese Interessen konstituieren drei Zonen politischer Gerechtigkeit: eine Individualzone, eine Relativzone und eine politische Zone.

Welches Recht ist gerecht? – lautet die Grundfrage der Rechtsethik. Recht ist im wesentlichen eine Realisationsform von Politik. Jede Rechtsethik muß deshalb auch politische Ethik sein. Tatsächlich bestehende Normen der Moral können das Recht nicht rechtfertigen. Dazu bedarf es einer kritischen Rechtsethik. Statt der traditionellen Unterscheidung zwischen Naturrecht und Rechtspositivismus werden zu einer ersten formalen Beantwortung der rechtsethischen Frage nach dem Verhältnis von Ethik und Recht in diesem Buch vier verschiedene Relationsmöglichkeiten vorgeschlagen:

Der rechtsethische Nihilismus hält eine rechtsethische Kritik des Rechts für unmöglich. Der rechtsethische Reduktionismus sieht eine derartige Kritik zwar als möglich an, aber als normativ abzulehnen. Der rechtsethische Normativismus vertritt, daß eine derartige ethische Kritik des Rechts möglich und normativ geboten ist. Der rechtsethische Essentialismus schließlich postuliert nicht nur eine normativ, sondern sogar eine begrifflich oder ontisch notwendige Verbindung zwischen Ethik und Recht. Nach eingehender Diskussion dieser vier Alternativen wird hier für den rechtsethischen Normativismus plädiert.

Darauf kann eine materiale Rechtsethik aufbauen. Sie bezieht die Grundfrage der Rechtsethik auf politische Entscheidungen. Typen einer Rechtfertigung politischer Entscheidungen sind anarchistische, individualistische, kollektivistische, naturalistisch-immanente oder naturalistisch-transzendente Rechtfertigungstheorien. Als einzig plausible Rechtfertigungsform erweist sich der normative Individualismus. Nur dieser kann jeden Betroffenen als Mitentscheider integrieren. Verschiedene Alternativen einer normativ-individualistischen Rechtfertigung des Rechts werden diskutiert, etwa diejenigen von Hobbes, Locke, Kant und Rawls. Ihre Einschränkungen werden gezeigt. Im Anschluß an diese Kritik wird eine sog. Dreizonentheorie politischer Gerechtigkeit entwickelt. Die Individualinteressen können in drei möglichen Relationen zu politischen Entscheidungen stehen:

  1. ein allein die Gemeinschaftsentscheidung
  2. ein Individualinteresse rechtfertigt mit den Interessen anderer zusammen in gleicher Weise die Gemeinschaftsentscheidung,
  3. ein Individualinteresse hat bei der Findung der Gemeinschaftsentscheidung gegenüber den Interessen anderer ein Übergewicht.

Diesen drei Alternativen lassen sich drei Zonen politischer Entscheidungen mit unterschiedlichen Formen der Gerechtigkeit zuordnen; die Individualzone, die politische Zone und die Relativzone. Die Dreizonentheorie politischer Gerechtigkeit kann eine Rangordnung der Grundrechte im Grundgesetz begründen und eine Systematisierung der Abwägungsbelange und Gesetzesvorbehalte ermöglichen. Den Abschluß bildet die Frage nach der ethischen Verpflichtung des einzelnen Menschen gegenüber den Verhaltensanforderungen des Rechts. Unter bestimmten Bedingungen ist eine Verweigerung legitim. Eskalationsstufen einer derartigen Verweigerung sind die einfache Nichtbefolgung, der zivile Ungehorsam, das Widerstandsrecht und der Tyrannenmord.

Dietmar von der Pfordten. geb. 1964, o. Professor für Rechts- und Sozialphilosophie am der Universität Erfurt.

(Umschlagtext des Verlages), eingebracht durch das Juristische Seminar der Universität Tübingen