Postamt HimmelPost Office Heaven, Kalender mit deutsch-englischer Beschriftung, ca. 1950

Adventskalender aus Holz, der nach Belieben befüllt werden kann, Inv.-Nr. 1280

Mit Süßigkeiten gefüllter Adventskalender zur Medienverbundsfigur Bob der Baumeister (Inv.-Nr. 1279)

CD-ROM-Adventskalender mit 24 Computerspielen für die Adventszeit, Inv.-Nr. 1055

Adventskalender

Der Adventskalender (neuerdings auch „Weihnachtskalender“) gehört zu den rituellen Instrumenten, mit denen die Zeit vor wichtigen Ereignissen auf den ersehnten Termin hin strukturiert wird. Ein ebenso altes wie bekanntes Beispiel ist das zum Kalender umfunktionierte Metermaß bei Wehrdienstpflichtigen. Die besondere Bedeutung der Adventstage vor Weihnachten zwischen dem ersten und dem 24. Dezember (früher auch zwischen dem Nikolaustag und dem 24./25.12.) geht vermutlich auf volksfrömmige Bräuche der Barockzeit zurück.
Als unmittelbare Vorläufer der heutigen Adventskalender gelten familiäre Bräuche wie das adventstägliche Überraschen der Kinder mit einer Süßigkeit, die Markierung der Adventstage durch Kreidestriche (und deren Entfernung) an der Türe oder das tägliche vorweihnachtliche Auslegen der Weihnachtskrippe mit einem Strohhalm.

Die ersten gedruckten, als Werbepräsente oder zum Kauf angebotenen Adventskalender tauchten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts auf.
Als wichtigster (aber nicht erster) Pionier des gedruckten Kalenders gilt der Münchener Verleger Gerhard Lang. Sein erster 1908 angebotener Adventskalender war ein Bogen mit 24 Bildchen zum Ausschneiden und Aufkleben auf einem zweiten Bogen. In den 1920er Jahren kamen Adventskalender mit Fenstern und Türchen in Mode.
Es waren vor allem Postkarten-, Kalender- und einige Kinderbuchverlage (so auch J.F. Schreiber in Esslingen), die sich auf das Adventskalendergeschäft einließen.

Im weitgehend zerstörten Nachkriegsdeutschland (West) führten Kalender mit romantisch-vorindustriellen Gebäude- und Naturidyllen zu einem erneuten und dauerhaften Erfolg des Mediums. Der Adventskalender bot quasi eine weihnachtlich aufgeheizte, grafische Turboversion dessen was auch dem zeitgenössischen Heimatfilm den Erfolg garantierte. Überraschenderweise fanden diese Produkte auch anderswo, vor allem in den USA, sofort begeisterte Konsumenten. Der Adventskalender „made in Germany“ gehörte zu den ersten Exportschlagern der Nachkriegszeit.
Auch heute noch sind Adventskalender, ikonografisch gesehen, das beliebteste und erfolgreichste Reservat der enthemmtesten Orgien des Weihnachtskitsches. Bevorzugt zeigen sie Deutschland als eine imaginäre, märchenhafte, pseudomittelalterliche Fachwerkidylle mit Nachtwächtern, Kutschenschlitten, barfüßigen Engeln und Christkindchen in weißen Nachthemden. Und außerhalb der vom Schein trauter Laternen vergoldeten Ansiedlungen toben von Wichteln veranstaltete Tierweihnachten im tief verschneiten Winterwald.

Neben den oft anonymen bzw. nicht prominenten Gestaltern von Adventskalendern findet sich auch eine Reihe bekannterer Kinderbuch-Illustratoren, wobei der hohe Frauenanteil auffällt: Ida Bohatta, Ruthild Busch-Schumann, Gertrud Caspari, Elsa Eisgruber, Annegret Fuchshuber, Reinhard Herrmann, Hilde Hayduck-Huth, Rolf Rettich, Eva Johanna Rubin, Liselotte Schwarz.

Typologisch lassen sich die heutigen Adventskalender unterteilen in
• Wandkalender oder Kalender in anderer medialer Form (z.B. als Aufstellszenerie, Buch, Heft, Spiel, Tonträger, DVD, Online, Behälter in nahezu beliebiger Form)
• fertige bzw. vorgefertigte Kalender oder selbst gefertigte Exemplare
• nach Inhalt (z.B. Bildchen, Texte, Hörangebote, Figuren, Süßigkeiten oder andere Produkte)
• Medien mit oder ohne Werbebotschaft

Der Brauch, sich einen Adventskalender zuzulegen scheint eher zu- als abzunehmen. Inzwischen vertreibt nahezu jeder größere Fußballclub seinen eigenen Adventskalender. Längst gibt es Kalender für Hunde und Katzen, für Männer und Frauen und eine Flut von Anleitungen zum Basteln von „kreativen“ und „originellen“ Adventskalendern.

Neuerdings gibt es auch „lebendige“ oder „begehbare“ Adventskalender, die meist von Kirchengemeinden als Nachbarschaftsrituale (in Form von gegenseitigen Reihum-Besuchen) organisiert werden. Von „architektonischen Adventskalendern“ spricht man, wenn im Zuge des vorweihnachtlichen Straßenschmucks Gebäudefassaden als Weihnachtskalender gestaltet werden.
Insgesamt ist in den letzten Jahrzehnten eine globale Verbreitung des Adventskalenders (bei gleichzeitiger Säkularisierung des Inhalts) zu beobachten und eine Zielgruppenerweiterung auf die Erwachsenen hin.

Weiterführende Literatur
Binder, Sandra:
Wann ist denn endlich Weihnachten? Die Geschichte des ersten Adventskalenders. Holzgerlingen 2009
Peschel, Tina: Adventskalender: Geschichte und Geschichten aus 100 Jahren. Husum 2009
Wellnhofer, Lena: Adventskalender. Gestalten & verschenken. München 1999


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